Der Verrat

Viele jüdische KZ-Häftlinge starben nach der Befreiung durch die Siegermächte an Vernachlässigung.

Hinweis zum Rubikon-Beitrag: Der nachfolgende Text erschien zuerst im “Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beitrat unter anderem Daniele Ganser und Rainer Mausfeld aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

Wir haben die Bilder vor uns, wie 1945 die deutschen Konzentrationslager von Soldaten der Alliierten befreit werden. Wie GIs entsetzt durch Gruppen von ausgemergelten, noch lebenden Skeletten gehen. Wie ein US-Soldat wütend auf einen deutschen KZ-Aufseher eintritt, der sich lethargisch windet wie eine Made. Und bei Knopp sehen wir KZ-Kinder, die an der Hand von Rotkreuzschwestern durch die Auschwitz-Pforte tapsen. Aber der Film findet seltsamerweise nie eine Fortsetzung. Was geschah denn eigentlich, als die Kameraleute weg waren?

Die Holocaust-Überlebenden brauchten doch dringend ärztliche Hilfe (1). Sie sind chronisch unterernährt. Viele können keine normale Nahrung mehr zu sich nehmen, sind extrem traumatisiert. Das vegetative System ist durcheinander. Schlaflosigkeit, Herzrhythmusstörungen, Diarrhoe. Das Immunsystem geschwächt.

Es lebt sich besser, wenn wir uns vorstellen, diese gequälten Menschen seien erst einmal medizinisch untersucht und mit geeigneten Medikamenten sowie durch Diät ganz vorsichtig wieder gesundgemacht worden. Diese Behandlung ist doch wohl der Würde jener wenigen Überlebenden dieses einzigartigen industriellen Völkermordes angemessen. Denken wir.

Im Juni 1945 beauftragt US-Präsident Truman den Dekan der juristischen Fakultät der Universität von Pennsylvania, Earl Harrison, mit der Erstellung eines Gutachtens über die Situation jener Juden in der amerikanischen Besatzungszone, die die Konzentrationslager überlebt haben (2). Harrison reist mehrmals nach Europa und inspiziert die Unterbringung der Holocaust-Überlebenden. Sein Befund:

„So wie die Dinge jetzt stehen, behandeln wir die Juden offenkundig genauso wie die Nazis (es getan haben), mit der kleinen Ausnahme, dass wir sie nicht vernichten. Sehr viele befinden sich in den Konzentrationslagern unter unserer militärischen Aufsicht statt unter der Bewachung der SS-Truppen. Man ist geneigt zu fragen, ob die Deutschen, wenn sie das sehen, nicht annehmen müssen, dass auch wir der Nazi-Linie folgen, oder sie zumindest stillschweigend billigen.“

In dem Bericht erinnert Harrison den Präsidenten an die Beschlüsse der Konferenz von Potsdam. Den Deutschen soll unmissverständlich vor Augen geführt werden, so heißt es da, dass sie nach so vielen beispiellosen Verbrechen den Krieg eindeutig verloren haben. Das sollen sie unter anderem daran merken, dass in ihren Häusern die Opfer des Nazi-Regimes einquartiert werden. Wenn dem so ist, Mr. President, „(…) dann ist nur schwer zu begreifen, warum so viele entwurzelte Personen, besonders jene, die so lange verfolgt wurden und deren Wiedereinbürgerung oder Umsiedlung sich wahrscheinlich noch hinauszögert, gezwungenermaßen in grauenhaft überbelegten Lagern vegetieren müssen, während die Deutschen in ländlichen Regionen nach wie vor unbehelligt in ihren Häusern sitzen.“

Tatsächlich hausten die jüdischen KZ-Häftlinge im Sommer und Herbst 1945 immer noch in denselben Baracken wie zu Zeiten der SS-Herrschaft. Also wie gehabt fünfzig Mann in einem Raum, gestaut in vierstöckigen Pritschenreihen.

Sechs Millionen politische Häftlinge, Kriegsgefangene, deportierte Arbeitssklaven, Homosexuelle, Sinti, Roma und Juden waren im Mai 1945 mit einem Schlag sich selbst überlassen. Vier Millionen dieser so genannten Displaced Persons (DPs) kehren im Laufe des Sommers freiwillig auf eigene Faust in ihre Heimat zurück. Oder sie werden von US-Soldaten gegen ihren Willen in ihre ehemalige Heimat deportiert — „repatriiert“.

Bleiben noch zwei Millionen Displaced Persons, die entwurzelt durch den Dschungel des Nachkriegschaos irren. Oder sie sind in Lagern konzentriert. Zum Teil sogar auf eigenen Wunsch, denn wer sich in Häftlingskleidung im Freien durchboxt, muss sich möglicherweise von Mundraub ernähren. Viele Displaced Persons wurden von Deutschen erschlagen oder von US-Militärs erschossen.

Innerhalb der Gruppe der DPs befanden sich noch etwa 100.000 jüdische Bürger, die den Gaskammern entkommen waren. Ihr Leben war auch jetzt besonders gefährdet. Denn nun trat, wie es Beobachter ausdrückten, an die Stelle der Judenvernichtung durch Zyklon B die Vernichtung durch Vernachlässigung. Es existierte seitens der alliierten Kommandantur schlicht kein Konzept und auch nicht der Wille, mit den jüdischen Holocaust-Überlebenden würdevoll und angemessen umzugehen.

Auf Nachfrage antwortete die Kommandantur, das Problem der jüdischen DPs sei „vorübergehend“ („temporary“), während man mit den Deutschen eine dauerhafte Beziehung aufbauen müsse. Und das temporäre Problem versprach sich auch bald von selber aufzulösen. Harrison berichtet dem Präsidenten, dass seit der Befreiung bis zum Juni 1945 allein in Bergen-Belsen 23.000 Insassen verstorben seien, davon 90 Prozent der jüdischen Mitbürger. Insgesamt habe sich zwar die Ernährungssituation gebessert — keine Kunst: fast alles ist besser als die Vernichtungs-Nulldiät der Nazis —, jedoch gerade bei den bettlägerigen Barackenbewohnern gäbe es krasse Mangelernährung sowie einen „markanten und ernsten Mangel an Medikamenten“.

Nach wie vor trugen die Häftlinge jene schrecklichen gestreiften KZ-Pyjamas oder sie hatten sich die SS-Uniformen ihrer vorherigen Peiniger angezogen. Zu trinken gab es Kaffee von den neuen KZ-Wächtern. Die alliierte Kommandantur hatte ein Tagesminimum von 2000 Kalorien für DPs vorgeschrieben. Tatsächlich verabreicht wurden nach Harrisons Schätzung jedoch 1250 Kalorien pro Tag, bestehend aus „(…) a black, wet and extremely unappetizing bred“. Das nasse — und damit ja auch schimmelsporige —, extrem eklige Schwarzbrot bezogen die Militärbewacher aus der Produktion der deutschen Nachbarorte. Sicher hat kein alliierter Lebensmittelchemiker diese von verbitterten Deutschen unter Zwang für die jüdischen „Nachbarn“ komponierte brotförmige Kleienpaste auf gesundheitsschädliche Substanzen untersucht.

Der Stacheldraht, soweit er schadhaft war, wurde ausgebessert. Der nächste Winter kam bestimmt. Es wurden jedoch von Harrison keine Bemühungen registriert, die Baracken in irgendeiner Weise winterfest zu machen. Die Zäune wurden von Militärs mit entsicherten Pistolen bewacht. Nur vereinzelt konnten Insassen das Lager für Stunden verlassen. Lebensmittel- und Medikamentenlieferungen sowie Kleiderspenden von Hilfsorganisationen waren strikt untersagt. Weibliche Insassen wurden vergewaltigt oder sie waren für eine Dose Corned Beaf zu Willen.

So unglaublich die geschilderten Zustände waren: sie fielen in dem Chaos der ersten Nachkriegsmonate nicht auf. Denn jeder war mit sich selber beschäftigt. Eine funktionierende Öffentlichkeit gab es in jenen Tagen sowieso nur in den vom Krieg unversehrten USA. Und die öffentliche Meinung der USA wurde beherrscht von einem vielgestaltigen, sehr selbstgerechten Antisemitismus, der von keinen Horrorbildern aus Auschwitz, Treblinka oder Sobibor getrübt war. Zwar hatten sich in den 1930er Jahren viele neue Organisationen gebildet, die dem Antisemitismus entgegentraten, wie zum Beispiel die Anti Defamation League. Aber im Gegensatz zu Deutschland, wo die NSDAP ebenso verbissen wie erfolglos antisemitische Kampagnen lostrat, war der Antisemitismus in den USA eine überall greifbare Alltagserfahrung. Der deutsche Soziologe Leo Löwenthal, der in die USA emigrieren musste, stellte rückblickend fest:

„Wir haben auf einmal entdeckt, daß es hier (in den USA, Anmerkung des Autors) etwas gibt wie wirklichen everyday-Antisemitismus und daß man sich nicht ungehemmt und frei als Jude in allen gesellschaftlichen Bereichen bewegen kann“ (3).

Die höheren Gesellschaftsschichten tendierten zu einem eugenisch-rassenkundlichen Antisemitismus, der sich, gespeist durch Erkenntnisse der Carnegie- und Rockefeller-Institute, als die Speerspitze modernster Forschung begriff. Die unteren Schichten huldigten einem populistischen Gebräu aus religiösem und verschwörungstheoretischem Antisemitismus: Zum einen waren die Juden Christusmörder, die beim apokalyptischen Endkampf als Gog und Magog niederzuringen waren, zum anderen hatten sie alle Exzesse sowohl der Wall Street als auch der bolschewistischen Revolution als Teil eines jüdischen Welteroberungsplans zu verantworten (4).

Wenn Amerikaner mit solcher Prägung nach Europa kommen, stellt sich ihnen das Kriegsinferno folgendermaßen dar: Da sind diese sauberen Deutschen mit ihren gefegten Bürgersteigen und ihren funktionstüchtigen Spülklosetts. Im Grunde Leute wie wir auch. Und wenn wir uns mit ihnen mithilfe ihrer Dolmetscher unterhalten, dann haben wir doch eigentlich ziemlich dieselben Ansichten über Gott und die Welt.

Gegenüber den Displaced Persons vollstreckt sich der klassische Teufelskreis der Kriminalisierung, Diskriminierung und Ausgrenzung. Da die meisten Soldaten der US-Armee weder im Zivilleben noch im Kriegsdienst über die Besonderheiten der deutschen Holocaust-Maschinerie aufgeklärt worden sind, sehen sie in den verelendeten, ausgeraubten KZ-Insassen nur kriminelle Delinquenten, die scheinbar nicht ohne triftigen Grund in ein System des Strafvollzugs geraten sind. Die Displaced Persons streifen durch die Gegend. Wenn man sie nicht einfängt, stehlen sie den anständigen Deutschen ihre Gartenfrüchte, Hühner und Rauchschinken.

Schon wenige Wochen nach der Kapitulation hatten die meisten US-Offiziere deutsche Dolmetscherinnen, die den Offizieren bisweilen sehr nahe standen. Sie avancierten schnell zu einflussreichen Vorzimmerdamen. Harris moniert in seinem Bericht, dass diese oftmals der braunen Infrastruktur verhafteten Helferinnen Displaced Persons abwiesen, die um ein Gespräch mit dem Offizier nachsuchten. Oder sie übersetzten das Anliegen der DPs den Offizieren bewusst falsch. DPs bekamen selten eine Anstellung bei amerikanischen Militärs.

Es gab aber auch GIs, die für die Nöte der DPs sensibel waren und den Todgeweihten halfen. Der US-Soldat Robert Hilliard war in Kaufbeuren stationiert. Er hat seine Erlebnisse in einem Buch festgehalten (5). Hilliard arbeitete für eine Soldatenzeitung. Auf Recherchetour lernte er das improvisierte jüdische Krankenhaus im Kloster St. Ottilien kennen. Eine Gruppe von 700 KZ-Insassen sollte im April von Dachau nach Tirol gebracht werden. Hilliard schreibt:

„Am 14. April hatte Heinrich Himmler (…) den Befehl gegeben, dass kein Gefangener der Konzentrationslager in die Hände der Alliierten fallen solle. Weil Eisenhower sich weigerte, den Befehl zur Befreiung der Konzentrationslager zu geben, sahen die Lagerinsassen nun ihrer Auslöschung entgegen.“

Ein amerikanischer Bomberangriff ermöglicht den KZ-Insassen die Flucht. Im Kloster St. Ottilien besetzen sie vier Häuser. Unter Anleitung des jüdischen Arztes Dr. Grinberg baut die Gruppe ein notdürftiges Krankenhaus auf. Während in den Nebengebäuden gutgenährte Nazi-Kriegsverbrecher von den Mönchen als „Patienten“ untergebracht werden, erhalten die Juden keinerlei Unterstützung. Hilliard und andere US-Soldaten zweigen illegal Essen aus der Soldatenkantine für das Krankenhaus ab. Dr. Grinbergs Briefe und persönliche Ersuchen bei Hilfsorganisationen, auch jüdischen, bleiben unbeantwortet.

Irgendwann taucht die Militärpolizei auf und zieht einen Stacheldrahtzaun um das Hospital. Begründung: „Ansteckungsgefahr“. Die Juden sind nun eingesperrt. Nur durch Tricks können Hilliards Freunde Essen nach St. Ottilien einschleusen. Plötzlich erscheinen Abgesandte von der internationalen Hilfsorganisation UNRRA, versprechen Hilfe und verschwinden wieder.

Natürlich reichen die gutgemeinten Brosamen der GIs nicht zum Überleben. Also kriecht nachts ein Insasse durch den Stacheldrahtzaun, um Essen für drinnen zu organisieren. Als er in der Morgendämmerung zurückkommt, schießt ein Militärpolizist auf ihn. Dr. Grinberg will ihn in die Behelfsklinik holen, was ihm verboten wird. Der Patient wäre verblutet, wenn Hilliard nicht zufällig mit einem Offizier vorbeigekommen wäre und die Verbringung in das Hospital angeordnet hätte. Kommentar des beinahe-Todesschützen: „Er ist nur ein verdammter Jude. Das verdienen alle Juden!“ Der „verdammte Jude“ überlebte die Verletzung, allerdings nur mit Beinamputation.

Am 25. Juli gelingt es, in St. Ottilien eine Konferenz mit Delegierten aus den DP-Lagern der britischen und amerikanischen Besatzungszone abzuhalten. Die Probleme sind überall die gleichen. Eingepferchte Juden in den alten Konzentrationslagern, keine Hilfe von außen und die ungebrochene Machtfülle deutscher und österreichischer Behörden. Lagerinsassen, die aufbegehren, bekommen die Nahrungsration gekürzt. Die machtlosen KZ-Delegierten können nur ihre Ansiedlung in Palästina fordern.

Daraufhin schicken Hilliard und seine Freunde fünfhundert Kopien eines selbstverfassten Briefes in die USA an Verwandte und einflussreiche Bekannte. Sie machen eindringlich auf die zu erwartende Auslöschung der letzten jüdischen Überlebenden des Holocaust aufmerksam.

Dieser Brief gelangt tatsächlich zusammen mit dem Harrison-Bericht auf den Schreibtisch von US-Präsident Truman. Und, sosehr sich der in Regierungsdingen absolut unerfahrene Truman auch sonst von mächtigen Oligarchen an der Nase herumführen lässt: in diesem Falle zeigt der ehemalige Textilhändler aus der Provinz ungeahnte Charakterstärke. Er scheut sich nicht, den für Europa verantwortlichen General und Kriegshelden Dwight D. Eisenhower öffentlich zu tadeln für seine judenfeindliche Obstruktion der Potsdamer Beschlüsse.

In einem Brief, veröffentlicht zusammen mit dem Harrison-Report am 30. September 1945 in der New York Times, fordert Truman Eisenhower energisch auf, die DPs sofort ordentlich einzuquartieren. Bezogen auf die eindringlichen Harrison-Sätze betont Truman: „Wir haben eine besondere Verantwortung gegenüber den Opfern von Verfolgung und Tyrannei in unserer Besatzungszone“. Das deutsche Volk solle wissen, dass die Amerikaner „zutiefst die Nazipolitik des Hasses und der Verfolgung verabscheuen“.

Dwight „Ike“ Eisenhower lässt seinen Antwortbrief nicht von einem akademischen Eierkopf ausformulieren. Er schreibt selber am 16. Oktober 1945 einen Rechtfertigungsbrief. Die ersten Sätze kratzt Ike qualvoll dahin, bis er seinen schlichten offenherzigen Ton gefunden hat, für den ihn die Leute draußen im Lande so lieben:

„(…) also, seit Harrisons Besuch hat sich eine Menge getan, Mr. President. Bei der krassen Wohnungsnot haben wir für jeden Juden jetzt beachtliche 10 Quadratmeter Wohnfläche rausgeholt. Aber dass die Juden immer noch in den KZs hocken, ist nicht wahr. Sie sind dort nur so lange geblieben, wie es aus Gründen der medizinischen Quarantäne und für die Genesung von akuter Krankheit unerlässlich war (…) Ein Grund, dass wir die Anzahl der Personen begrenzten, die die Zusammenfassungszentren verlassen durften, lag in der Verheerung und in dem Banditentum, das diese Displaced Persons selber angerichtet haben. Unserer Aufsicht entzogen, haben sich 2000 von diesen Leuten mit Metylalkohol totgesoffen. Andere sind erschlagen worden, während sie draußen herumstrolchten.“

Beleidigt, weil Truman die Barmherzigkeit der vorsorglichen Einschließung nicht zu würdigen weiß, schmollt Ike:

„Vielleicht waren wir ja in unserer Aufsicht zu gründlich. Nun sind die Militärpolizisten abgezogen, und die DPs stellen selber Wachen auf. Drei- bis viertausend Leute aus der Verfolgten Kategorie machen übrigens ehrliche Versuche zur Resozialisierung in den Städten. Ernährung und geistliche Versorgung sind jetzt o.k. Zugegeben, einiges muss noch besser werden. Aber was erwartet man denn von einer Kampftruppe, die plötzlich zivile Aufgaben zu versehen hat? Harrisons Bericht ist übrigens ungerecht, Mr. President!“

Jetzt endlich, noch gerade rechtzeitig vor dem Winter — für zehntausende bis zum Kriegsende noch überlebende Holocaust-Opfer kommt jede Hilfe zu spät — werden private Organisationen aktiv, und die Lage der Opfer bessert sich deutlich. Die Juden haben nur noch ein Ziel: so schnell wie möglich fit werden, um nach Palästina aufzubrechen. Der Weg nach Osten ist nämlich abgeschnitten, denn von dort fliehen Juden vor neuen Pogromen.

Allerdings bleibt die Situation in einzelnen Lagern wie zum Beispiel Mauthausen noch bis zum Frühjahr 1946 unerträglich. In Fürth werden im Februar 1946 1.800 Juden aus besseren Unterkünften erneut in Baracken abgeschoben. Die Juden lassen sich das nicht länger gefallen und es kommt zu einem Aufstand. Diese deutsch-jüdischen Mitbürger fordern mit Nachdruck jene Häuser zurück, die ihnen die Nazis gestohlen haben. 60 unbotmäßige „Rädelsführer“ werden festgenommen.

Der mutige US-Soldat Robert Hilliard bekommt in Kaufbeuren Besuch von einem General, der ihn recht herzlich von Eisenhower grüßen lässt. Der General lässt durchblicken, Hilliards Dokumente für die Entlassung aus der Wehrpflicht könnten „verloren gehen“. Er könnte womöglich auf einem subpolaren Außenposten auf den Aleuten vergessen werden, wenn er weiterhin solche Briefe schreiben wolle.

Hilliard schreibt weiterhin solche Briefe, wird aber dennoch aus der Wehrpflicht entlassen. Hilliard heißt eigentlich Robert Hilliard Levine. Levine hat seinen Namen allerdings geändert, um als Jude eine berufliche Karriere in den US-Medien machen zu können.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Wir müssen eine fundamentale Unterscheidung machen: Jene KZ-Insassen, die von der Roten Armee befreit wurden, bekamen sofort ärztliche Hilfe, angemessene Nahrung und Kleidung. Sie erlangten auch sofort die Freiheit der Bewegung wieder. Die in diesem Artikel geschilderten Zustände betreffen allein die KZ-Insassen der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszonen.
(2) Der Harrison Report https://hitlersamerikanischelehrer.wordpress.com/2018/09/26/der-earl-harrison-report-von-1945/
(3) Leo Löwenthal: Mitmachen wollte ich nie. Ein autobiographisches Gespräch mit Helmut Dubiel, Frankfurt am Main 1980. S.32
(4) Hermann Ploppa: Hitlers amerikanische Lehrer. Marburg 2016
(5) Robert L. Hilliard: Von den Befreiern vergessen. Frankfurt/New York 2000
Das Buch ist im englischsprachigen Original zutreffender betitelt mit „Surviving the Americans — The Continued Struggle after Liberation“. Seven Stories Press 1996.

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Dieser Beitrag erschien am 19.10.2018 bei Rubikon – Magazin für die kritische Masse.

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