Der Untergang von Beirut | Von Karl Bernd Esser (Podcast)

Eine Explosion wie ein Atombombentest.

Ein Standpunkt von Karl Bernd Esser.

Die stärkste Explosion in der Geschichte des Libanon ereignete sich am 4. August. Seine Echos waren in einem Umkreis von 20 Kilometern zu hören. Auch die Einwohner der Hauptstadt Zypern, Nikosia, spürten die Explosion trotz der Entfernung von 250 Kilometern in Beirut.

Die Chronologie der Ereignisse am Hafen von Beirut

Der russische Staatsbürger Igor Greschushkin aus Chabarowsk, der jetzt mit seiner Ehefrau Irina auf Zypern lebt und dort als Direktor der UNIMAR SERVICE Ltd. agiert, erhielt 2013 den Auftrag 2.750 Tonnen Ammonium Nitrat von der georgischen Firma Rustavi Azot LLC von Georgien nach Afrika zu transportieren. Zum Vergleich: Amatol ist ein militärischer Sprengstoff und eine kriegsbedingte Streckung des sehr teuren TNTs mit prieswertem Ammoniumnitrat (Kunstdünger-Komponente) erfolgte nicht nur im Deutschen Reich. Die Mischung Amatol hat eine nur geringfügig schlechtere Brisanz als TNT, das TNT-Äquivalent liegt bei 0,8.

Greschushkins Schiff namens MV RHOSUS fuhr am 23. September 2013 unter der Flagge Moldawiens von Batumi in Georgien nach Biera in Mosambik. Laut Moldawiens Schiffsregister war die MV RHOSUS in Besitz der in Panama registrierten Firma BRIARWOOD CORPORATION und wurde von der Firma TETO SHIPPING LIMITED auf den US-Marshall-Inseln gechartert, dessen Manager Igor Greschushkin war. Das Schiff befand sich nicht in bestem Zustand und sein geschätzter Wert betrug ungefähr 350 Tausend Dollar. Für die Lieferung der Fracht von Batumi nach Mosambik erhielt der Reeder Greschushkin eine Million Dollar. Der verrostete alte Seelenverkäufer mit Baujahr 1986 brach beinahe auseinander, sodass er für Reparaturen am 21. November 2013 in Beirut andocken musste. Die Ladung wurde überprüft und zurückgehalten, nachdem die Hafenbehörde erklärt hatte, dass „für den Transport erforderliche Dokumente und Sicherheitsmaßnahmen“ fehlen. Schiffseigner Greschushkin schuldete seinen Gläubigern in Georgien viel Geld, sodass das Schiff im Auftrag einer Anwaltskanzlei von libanesischen Behörden gepfändet wurde. Der Schiffseigner hat zudem keine Mittel für Reparaturen bereitgestellt. Außerdem befand sich eine zweite Besatzung an Bord, die dem Arbeitgeber TETO Löhne schuldete. Das Schiff befand sich in einem nicht seetüchtigen Zustand und konnte den Hafen nicht mehr verlassen. Die Hafengebühren waren sehr hoch und die Schulden für den Ankerplatz wuchsen von Tag zu Tag. „Dem Schiff ging schnell das Trinkwasser, das Geld und die Lebensmittel aus“, heißt es in einer online veröffentlichten Mitteilung von Baroudi & Associates, einer libanesischen Anwaltskanzlei, die im Auftrag „verschiedener“ nicht genannter Gläubiger das Mandat erhielt, das Schiff zu pfänden.

Doch die Gläubiger waren auch Gauner, sie wollten sich nicht um die beschlagnahmte Ware kümmern, sondern dachten nur an die Verwertung des alten Wracks. Der Schiffseigner Igor Greschushkin und seine Firma TETO SHIPPING Ltd. haben einen schlechten Ruf. Seeleute berichten über monatelange Gehaltsausfälle und den schlechten Zustand des Schiffes. TETO SHIPPING Ltd. wurde 2012 auf den US-Marshallinseln gegründet und existiert seit September 2014 nicht mehr.

Die libanesischen Behörden waren ebenfalls Gauner, sie luden die Ladung einfach in ein Lagerhaus im Hafen am Liegeplatz 12 aus und lagerten zudem all das, was sich noch im Schiff befand, neben die 2.750 Tonnen Salpeter ein – darunter eine Ladung Feuerwerkskörper und möglicherweise Munition. Nach Angaben des Marine-Traffic-Dienstes, der zuletzt 2014 den Standort der MV RHOSUS aufzeichnete, befand sich das Schiff tatsächlich am Hangar 12, in dem die Explosion stattfand.

Die Seeleute der MV RHOSUS waren 11 Monate an Bord – von Herbst 2013 bis 2014 – und bewachten die Fracht einfach unter sehr schwierigen Bedingungen ohne jegliche Unterstützung zum Lebensunterhalt. Der Empfänger der Fracht in Mosambik weigerte sich nach einem anderen Schiff zu suchen, das von Mosambik nach Beirut fährt, um diese Fracht abzuholen. So blieb die Besatzung der MV RHOSUS im Hafen von Beirut stecken. Kein Geld verdient, keine Wartung: Der Schiffseigner persönlich hatte die Finanzierung der Kommunikationsmittel – Telefon, Internet, Inmarsat (Satellitenkommunikation) eingestellt. Seine Million wollte der Reeder offenbar für sich behalten. Um das Ganze abzurunden, beschlagnahmten die örtlichen Auswanderungsbehörden alle Dokumente von den Seeleuten.

Die libanesischen Behörden stimmten schlussendlich zu, dass sechs von zehn Seeleuten das Land verlassen durften, die anderen wurden fast ein Jahr lang auf dem Schiff „festgehalten“ berichtet das SEAFARERS JOURNAL am 19. September 2014.

“Anfangs waren acht ukrainische Seeleute an Bord”, sagte Natalya Klamm, Geschäftsführerin des Odessa Assol Seamen Aid Fund. Der Fonds gewährte den Seeleuten materielle Unterstützung beim Auffüllen ihrer Mobilfunkkonten. Dies ermöglichte den Besatzungsmitgliedern, ständigen Kontakt zu ihren Verwandten, Diplomaten und einem Anwalt herzustellen. Nachdem sich die Seeleute mit unserer Hilfe an den ukrainischen Konsul gewandt hatten, konnten fünf unserer Landsleute nach Hause zurückkehren. Ein Seemann starb an einem Schlaganfall. Um das Schiff am Leben zu erhalten, blieben demnach vier Besatzungsmitglieder an Bord: drei Ukrainer und der russische Schiffskapitän. Während der Eigner Greschushkin sich für bankrott erklärte und das Schiff endgültig „verließ“. Nachdem auch die Seeleute das Schiff schlussendlich verlassen hatten, beschlossen die Hafenbehörden in Beirut, die Fracht als Sicherheit für die Nichtzahlung von Hafengebühren und anderen Schulden im Lager bei Pier 12 zu belassen.

Vor zwei Jahren sank dann die MV RHOSUS im selben Hafen unmittelbar dort, wo sich jetzt der riesige Explosionskrater befindet. Die berechtigte Frage ist: Welche gefährlichen Chemikalien oder Sprengstoffe befanden sich noch an Bord des gesunkenen Wracks?

Der Generaldirektor des libanesischen Zolls Badri Dahir wurde mittlerweile verhaftet. Er sagte: „Die Justiz des Landes sei sechsmal über die gefährlichen Chemikalien informiert worden, die in diesem Lagerhaus in der libanesischen Hauptstadt gelagert wurden.“ Die erste Warnung vor der potenziellen Gefahr der im Hafen gelagerten Chemikalien kam am 27. Juni 2014 vom damaligen Direktor des libanesischen Zolls Shafik Mirhi, wie von Al-Jazeera berichtet. In einem 2016 versendeten Brief heißt es:

Angesichts der ernsthaften Gefahr, diesen Sprengstoff unter ungeeigneten klimatischen Bedingungen im Hangar von Pier 12 zu deponieren, bekräftigen wir unsere Bitte, die Hafenbehörde aufzufordern, diese Waren unverzüglich wieder auszuführen, diese Lieferung an die Libanese Explosives Company Ltd. zu verkaufen oder umzulagern, um die Sicherheit des Hafens und ihrer Anwohner zu gewährleisten”

Zollbeamte schickten in den nächsten drei Jahren mindestens fünf weitere Briefe – am 5. Dezember 2014, 6. Mai 2015, 20. Mai 2016, 13. Oktober 2016 und 27. Oktober 2017 – und baten darin um unverzügliche Verlagerung des Sprengstoffes aus dem Hafen. Shafik Mirhi wurde inzwischen auch verhaftet.

Die Gefahr“, sagte Badri Dahir, der derzeitige Direktor des libanesischen Zolls, am Mittwoch gegenüber dem libanesischen Sender LBCI, „war allen Verantwortlichen bekannt“. Alle drei Verantwortlichen wurden zusammen mit dem vermögenden Hafen-Direktor Hassan Kuraitim zeitgleich verhaftet.

Mehrere europäische Sicherheitsbehörden verweisen darauf, dass die schiitisch-libanesische Terrororganisation Hisbollah in den vergangenen Jahren versucht habe, große Mengen der explosiven Chemikalie zu beschaffen. Eine entsprechende Operation habe es auch in Deutschland gegeben. Nach einem Tipp des israelischen Partnerdienstes Mossad, ermittelten die deutschen Nachrichtendienste laut der „TIMES OF ISRAEL“, dass eine größere Menge mit Ammoniumnitrat gefüllter Kältekompressen im Auftrag der Hisbollah zwischen 2012 und 2016 bei einer süddeutschen Speditionsfirma gelagert worden war. Deren Zweck, heißt es vertraulich, sei der Bau von Bomben gewesen. Dafür hätte das Ammoniumnitrat allerdings noch abgeschieden werden müssen.

Inzwischen seien diese mehrere hundert Kilogramm Kältepacks nicht mehr in Deutschland gelagert, sondern ausgeliefert worden. Der Verfassungsschutz schätzt die Zahl der Hisbollah-Sympathisanten in Deutschland auf 1.050 Personen. Etwa ein Viertel – 11 der 45 Clan-Gruppierungen – wird im Lagebild des Bundeskriminalamtes zur organisierten Kriminalität aus dem Jahr 2018 als libanesisch eingestuft. Bei den dominierenden Staatsangehörigkeiten ist das Verhältnis noch deutlicher: Rund 40 Prozent der mutmaßlichen Clan-Kriminellen sind laut dem Bundeskriminalamt (BKA) Libanesen. Es geschieht nichts, was am Beiruter Hafen an Import- und Exportgeschäften abgewickelt wird, ohne Kenntnis der Hisbollah.

Für Libanon-Experten ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die Organisation nicht zumindest über die Lagerung der Chemikalie im Bilde war. Die Person, die den Hafen von Beirut tatsächlich verwaltet, ist Wafiq Safa, Sicherheitschef der Hisbollah und Schwager von Hasan Nasrallah, dem Generalsekretär der Hisbollah. Sara ist wiederum verheiratet mit Nasrallahs Schwester. Vielleicht wollte man bewusst das leicht zugängliche Sprengstofflager für die Hisbollah offen halten?

Das offiziell nur als einfacher Salpeter falsch benannte Ammoniumnitrat lag bis zur Zündung sechs Jahre lang unbewacht in diesem einfachen Lagerhaus auf Pier 12, während gleichzeitig die eisernen Lagerregale und die Eingangstüren verrosteten. Der Hafendirektor Hassan Kuraitim teilte der Untersuchungsbehörde mit, dass das Ammoniumnitrat gemäß der Entscheidung des Gerichts abgeladen wurde und kein freier Zugang zu der beschlagnahmten Ladung in der Leichtmetallhalle bestand. Die Lagerräume des Ammonium Nitrats benötigten anscheinend Reparaturen und so kamen billige, unfähige Bastler oder Schwarzarbeiter, die heute Schweißer genannt werden, von der Hafenbehörde zum Einsatz.

Es ist davon auszugehen, dass bei unprofessionellen Schweißarbeiten die alten ungesicherten Säcke durch Funkenflug Feuer fingen und dieses sich dann extrem schnell auf das gesamte Lagerhaus ausbreitete. Fast das gesamte Lagerhausviertel hatte final Feuer gefangen und so explodierten verheerenderweise 2.750 Tonnen Nitrat und zerstörten große Teile von Beirut.

16 Mitarbeiter der Hafenbehörde sind am Donnerstag den 6. August 2020 festgenommen worden teilte der amtierende Militärrichter Fady Rakiki laut einem Bericht der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA mit – so die offizielle Version …

Die Einwohner haben Beiruts Hafen als “Höhle von Ali Baba und den 40 Räubern” bezeichnet, weil in den letzten Jahrzehnten Berichten zufolge eine große Menge staatlicher Gelder von dort gestohlen wurde.

Zu den Vorwürfen zählen Forderungen nach Steuereinnahmen in Milliardenhöhe, die aufgrund weit verbreiteter krimineller Systeme (Mafia und Hisbollah) die Importe unterbewerten, infolgedessen nie in die Staatskasse gelangten sowie Vorwürfe systematischer Korruption in Form von Bestechung, um die Zahlung von Zöllen zu verringern oder ganz zu vermeiden.

Der Vergleich der Zerstörung in Beirut mit dem Abwurf der ersten Atombombe am 6. August 1945 über dem japanischen Hiroshima und seinen damals überwiegenden Holzbauten mit einer „Luftdetonation“ hinkt etwas. Die im Zweiten Weltkrieg auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben hatten Sprengenergien von 15 kt (Little Boy) beziehungsweise 21 kt (Fat Man) und detonierten in 580 beziehungsweise 503 Metern Höhe. In Beirut löste die Explosion in der Lagerhalle 12 eine sogenannte Bodendetonation und damit eine Druckwelle von der vergleichbaren Kraft von rund drei Kilotonnen (3.000 kg) TNT aus, was einem Fünftel der Größe der nuklearen Explosion von Hiroshima entspricht. Dieser Wert kommt dem Schaden der Detonation gleich.

Die einfache Form der Bodenexplosion, also Kernwaffen direkt im Ziel zu zünden, ist nicht die effektivste. Atomexplosionen entwickeln ihre größte Zerstörungskraft bei Zündung in der Luft, wie in Hiroshima und Nagasaki. Vom taktischen Gesichtspunkt ist eine derartige Anwendung meist effektiver. Boden- und Untergrundexplosionen sind nur in einigen Sonderfällen – zum Beispiel als Bunkerbrecher – wirksamer.

In Beirut zeigt das Ereignis dennoch, welche Kraft die Druckwelle am Detonationspunkt (Nullpunkt) einer so gewaltigen Sprengstoff-Detonation entwickeln kann. Daneben hatte Beirut noch Glück, dass das massive Getreidesilo am Hafen einen Teil der Druckwelle abhielt. Noch in 20 km Entfernung wurden durch die Druckwelle Fensterscheiben zerstört. Glassplitter und herumfliegende Teile trafen die unvorbereitete Bevölkerung Beiruts in ihren festen Bauten wie Beton- und Ziegelhäusern sowie auf der Straße.  Die Lagerhallen am Hafen wurden bis auf wenige Stahlbeton- und Stahlskelettbauten am „Ground Zero“ komplett zerstört.

Der größte Schaden einer Explosion wird in bebauten Regionen durch die Explosionsdruckwelle angerichtet, sagen Militärexperten. Sie verursacht plötzliche starke Druckschwankungen (statischer Über- und Unterdruck) und orkanartige Winde (dynamischer Druck). Der statische Überdruck zerstört vor allem geschlossene Bauten mit großen Hohlräumen, also vor allem Häuser, während der orkanartige Wind Menschen, Tiere, Bäume und leichte Bauten „umbläst“. Der statische Unterdruck, der der Überdruckphase folgt und mit schwächeren Winden in Richtung auf das Explosionszentrum einhergeht, ist in Bezug auf Schäden meist vernachlässigbar. Dabei spielt vor allem der maximale Druck eine Rolle: Wird die Belastungsgrenze z. B. für die Betonmauern eines Gebäudes überschritten, so tritt der Bruch innerhalb sehr kurzer Zeit ein. Dennoch hat auch die Dauer der Druckwelle eine gewisse Bedeutung. Nach A. Bühl (1972) hat ein Überdruck von 0,3 atü (ca. 30 kPa) einer Explosion im Megatonnenbereich auf zivile Häuser eine vergleichbare Wirkung, wie eine Druckwelle von 0,5 atü (ca. 50 kPa) einer Explosion im Kilotonnenbereich.

An der Explosionsstelle bildete sich ein nicht erklärbarer 150 m breiter Krater, der sich nach der Detonation mit Meerwasser füllte. Fachleute rätseln, denn bei einem statischen Überdruck von etwa 10 GPa kommt es erst zu einer größeren Kraterbildung. Nach der Tabelle in Wikipedia ergibt eine Sprengkraft von 500 kt einen Kraterdurchmesser von 118 m. Wie konnte in Beirut der große Krater nur mit den angegebenen Mengen an Ammoniumnitrat entstehen?

Robert Baer, ​​ein ehemaliger hochrangiger CIA-Agent, der jahrelang im Nahen Osten tätig war, meinte dazu – die Explosion scheint ein Unfall gewesen zu sein, aber er ist nicht davon überzeugt, dass Ammoniumnitrat die einzige Ursache war. Er zeigte auf Videos von angeblichen Feuerwerkskörpern, die in einer weißen Rauchwolke kurz vor der eigentlichen Explosion explodierten, als danach eine orange gefärbte Rauchsäule hoch in den Himmel schoss. Baer teilte CNN mit, dass es sich bei diesen „Feuerwerkskörpern“ wahrscheinlich mehr um Munition handele, die als ein Teil des Salpeter-Depots zusammen mit militärischem Sprengstoff aufbewahrt worden sei. “Nach der Farbe der Rauchwolke war es eindeutig ein militärischer Sprengstoff”, sagte er. „Das war überwiegend kein Dünger wie Ammoniumnitrat. Da bin ich mir ziemlich sicher.“ Außerdem kann man mit Feuerwerkskörpern das Ammoniumnitrat (NH4NO3) gar nicht zünden, dazu benötigt man einen hochexplosiven Detonator wie z.B. Munition. “Es sieht fast wie ein Unfall aus”, sagte er. “Es war Inkompetenz und vielleicht Korruption, aber die Frage ist, ob es sich auch um militärischen Sprengstoff handelte, an wen er ging oder warum er dort gelagert wurde.”

Robert Baer fügte hinzu, dass es wahrscheinlich Jahre dauern würde, um die Wahrheit über die Ursache der Explosion zu erfahren, wenn sie jemals überhaupt enthüllt werden soll, denn “niemand wird zugeben wollen, dass die Hafenbehörde auch militärischen Sprengstoff im Hafen über 6 Jahre aufbewahrt hat”.

Tatsächlich gibt der Hersteller ORICA MINING SERVICES in Australien, (welcher auf Fotos der 1 Tonnen schweren Bags abzulesen ist) an, dass das NITROPRIL HD nur als kommerzieller Sprengstoff im Bergbau und in Steinbrüchen eingesetzt wird. In den Sicherheitshinweisen des Originalprodukts steht: “Kann unter Einschluss und hoher Temperatur explodieren, aber nicht leicht explodieren. Kann aufgrund von Detonationen in der Nähe explodieren“. Ein ORICA-Sicherheits-Hinweis legt die TNT-Äquivalenz (militärischer Sprengstoff) für eine Explosion von NITROPRIL in großen Säcken auf 15 % fest. 2.750 Tonnen NITROPRIL entsprechen damit 412,5 Tonnen TNT-Äquivalent.

Die traditionelle Fahrlässigkeit wollte nicht den ORICA Warnhinweisen Beachtung schenken, dass in einer aufgeheizten Lagerhalle mit hoher Luftfeuchtigkeit Sprengstoffe gerade unter diesen Bedingungen in kürzester Zeit blankes Nitroglyzerin schwitzen, und davon abgesehen allein schon die Sonneneinstrahlung zu einer Explosion führen kann.

Die Explosion in Beirut war gewissermaßen viel stärker als 412,5 Tonnen TNT-Äquivalent. Dieser physikalische Wert passt nicht zum großen Krater, zur mächtigen Druckwelle und zu ihren Verwüstungen sowie zur Farbe der orange-braunen Detonationswolke. Es muss also noch ein anderer Sprengstoff oder Munition mit zur Zündung gekommen sein.

Ein ähnlicher Vorfall wie in Beirut ereignete sich auf Zypern am 11. Juli 2011. Ein Munitionslager auf dem Marinestützpunkt Evangelos Florakis in Zypern wurde von einer massiven Explosion heimgesucht. Die Katastrophe wurde vermutlich durch einen Buschbrand ausgelöst. Sowohl der Kommandeur der zyprischen Flotte als auch der Befehlshaber des Stützpunkts sowie weiteres Militärpersonal und Einsatzkräfte der Feuerwehr wurden getötet. Das daneben liegende Hauptkraftwerk der Insel wurde ebenfalls zerstört (siehe Satellitenfotos HELLAS SAT vorher/nachher. Im Schriftartikel verlinkt).

Die Detonation wurde durch 98 Container iranischer Munition und Sprengstoffkisten verursacht, die mehr als 2.000 Tonnen Sprengstoff enthielten und die Zypern auf dem Weg nach Syrien im Januar 2009 beschlagnahmte. Die 98 Container blieben auf dem Marinestützpunkt ungeschützt liegen. Fachleute und auch der später bei der Explosion ums Leben gekommene Kommandeur sprachen die Explosionsgefahr an, zumal die hölzernen Munitionskisten im Container nur 300 m vom Kraftwerk Vassiliko entfernt standen. Ungeschützt waren die Container der Witterung ausgesetzt, vor allem der Hitze. Der Gesamtschaden auf der Insel betrug damals 992 Millionen US-$.

Interessant sind Informationen in der Wikipedia-Liste zu den größten weltweiten nicht-nuklearen Explosionen. Dort ist bereits die Explosion in Beirut verzeichnet. Bis heute zählte man dort rund 170 getötete und 5.200 verletzte Personen sowie rund 300.000 obdachlose Einwohner, davon 50.000 Kinder. Etwa 100 Personen werden noch vermisst. Die Explosion verursachte einen geschätzten Sachschaden von rund 4-6 Milliarden Euro meint der Bürgermeister.

Das Ammoniumnitrat wurde von der Internationalen Bank von Mosambik für Fábrica de Explosivos de Moçambique (FEM), eine Firma, die kommerzielle Sprengstoffe herstellt, gekauft, so Baroudi und Partners – die libanesische Anwaltskanzlei, die die Schiffsbesatzung vertritt in einer Erklärung vom 5. August 2020. CORNELDER, das Unternehmen, das den Hafen von Beira verwaltet, wurde nie über die Ankunft eines Schiffes mit 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat nach Mosambik informiert.

“Normalerweise werden wir vor Einlaufen eines Schiffes benachrichtigt. In diesem Fall haben wir nie eine Benachrichtigung von einem Schiff erhalten, das mit diesen Namen und dieser Ladung in den Hafen von Beira gekommen ist”, sagte António Libombo, stellvertretender Geschäftsführer von CORNELDER. Er verwaltet den Hafen von Beira seit 1998. Das Ministerium für Verkehr und Kommunikation von Mosambik sagte auch, dass es in diesem Jahr nicht über ein Schiff mit dieser Ladung informiert worden sei.

Die Sprengstofffabrik von Mosambik (FEM) bestätigte an diesem Sonntag (09.08), dass sie die 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat bestellt hat und stellte fest, dass die von den libanesischen Behörden beschlagnahmte Fracht durch eine andere Sendung etwa wie dem NITROPRIL HD, wie der Aufdruck der Sprengstoff-Bags von ORICA MINING SERVICES auf Fotos belegt, ersetzt wurde. Die Bestellung wurde 2013 von FEM bei der Firma SAVORA aus Georgien aufgegeben, und der geplante Entlade-Standort war der Hafen von Beira in Mosambik, teilte die offizielle Quelle der mosambikanischen Firma LUSA mit. 

Die Fracht des Sprengstoff-Herstellers Rustavi Azot LLC wurde jedoch “nie geliefert”, da das Schiff MV RHOSUS auf Anordnung der örtlichen Behörden in Beirut festgehalten wurde. Angesichts der Festsetzung des Schiffes in Beirut schickte SAVORO schließlich eine neue Ladung Ammoniumnitrat durch ein anderes Schiff. FEM hat diesen Lieferanten jedoch wegen “Nichteinhaltung” der Lieferzeiten aufgegeben. FEM gehört Moura, Silva & Filhos mit Hauptsitz in Póvoa de Lanhoso, Distrikt Braga.

Wenn in Mosambik niemand mehr auf das Ammoniumnitrat aus Georgien wartete, war der Stopp des Schiffes in Beirut „wegen technischen Defekts“ nur ein Trick, um die Ladung dort auszuliefern?

Wer hat die Fracht mit 2.750 t georgischem Sprengstoff der MV RHOSUS gelöscht bzw. abgeholt? Irgendwann wurde wieder der Hangar 12 mit 2.750 t Ammoniumnitrat bis zum Rand aufgefüllt, diesmal mit Sprengstoff NITROPRIL HD der australischen Firma ORICA MINING SERVICES, wie auf Fotos der Bags zu erkennen, der zu der verheerenden Explosion geführt hat.

Noch sind viele Fragen offen: War es wirklich ein tragischer Unfall oder doch ein verdeckter Anschlag?

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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Bildquelle: Hiba Al Kallas / shutterstock

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