Der Alpen-Widerstand | Von Eric Angerer (Podcast)

Die Proteste gegen die Einschränkungen des Corona-Regimes in Österreich haben ein neues Ausmaß erreicht und zu den Lockerungen Anfang Februar beigetragen.

Ein Standpunkt von Eric Angerer.

Eine immer deutlichere Mehrheit der österreichischen Bevölkerung steht den autoritären Maßnahmen der schwarz-grünen Regierung skeptisch bis ablehnend gegenüber. Mit dem Unmut wächst auch die Zahl der kleinen Akte von zivilem Ungehorsam. Gleichzeitig haben die Demonstrationen in den letzten Wochen deutlich an Größe und Entschlossenheit zugenommen. Gewonnen ist aber noch nicht viel. Die Protestbewegung ist ausgesprochen heterogen, ihre Perspektive unklar.
Kippende Stimmung

Schon seit Dezember haben sich in Österreich immer weniger Menschen an die Vorschriften des Corona-Regimes gehalten, haben wieder vermehrt Freunde getroffen oder waren in Gruppen im Freien unterwegs. In einer Genossenschaftswohnanlage kamen Volksschüler trotz staatlichen Verbots heimlich in benachbarten Wohnungen zusammen, um gemeinsam Lego zu spielen; die Eltern verlangten geschlossene Vorhänge, damit Nachbarn nicht hineinsehen konnten, und setzten sich abends zu einem Glas Wein zusammen. Die Bewohner einer Reihenhaussiedlung trafen sich, um gemeinsam Silvesterraketen abzuschießen und begriffen das als bewussten Akt gegen die Bevormundung durch die Obrigkeit.

In einer Kleingartenanlage tranken die Menschen regelmäßig vor den Hauseinfahrten gemeinsam Glühwein, die meisten waren längst gegen die Regierungsmaßnahmen, manche hin- und her gerissen zwischen der medialen Propaganda und ihrer eigenen Wahrnehmung, was das Regime mit ihren Kindern macht. Die Ausnahme in dieser Siedlung ist ein pensionierter hoher SPÖ-Funktionär, der genau beobachtet und sich darüber empört, in welchem Haus sich mehrere Jugendliche aufgehalten und sich „verantwortungslos“ mit Küsschen begrüßt hätten.

80 Prozent der Österreicher sehen — nach einer Studie der Universität Salzburg von Anfang Februar 2021 — die Covid-Maßnahmen kritisch. Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 war die Stimmung noch anders. Die meisten Menschen waren von der politischen und medialen Panikmache nachhaltig beeindruckt. Dann aber lichteten sich die Nebel. Immer mehr Menschen wurde klar, dass die Sterblichkeit im Bereich einer mittelschweren Grippe lag, dass vor allem ältere Vorerkrankte gefährdet sind, dass die Maßnahmen überzogen sind — und unverhältnismäßig viele negative wirtschaftliche, soziale und psychische Folgen hatten.

Und während die Regierung Schulkinder mit Masken und Kontaktverboten terrorisiert, kommt es auch zehn Monate nach dem Ausbruch der „Pandemie“ immer wieder zu Clustern in Pflegeheimen, wurden die tatsächlich Gefährdeten nicht geschützt.
Für Beschäftigte und Besucher von Pflegeheimen, wo tägliche Schnelltests wirklich angezeigt wären, gab es aber monatelang kaum Tests und wird erst seit Dezember 2020 zweimal pro Woche getestet. Das stößt vielen sauer auf.

Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 war die Mobilität noch um 65 Prozent gesunken, im zweiten im November um 35 und im Januar nur noch um 25 Prozent. Viele Österreicher haben gelernt, den Mainstream-Medien immer weniger zu vertrauen. Die kritische Berichterstattung von Servus-TV fand immer mehr Zuschauer. Immer mehr Menschen verfolgen alternative Medien im Internet.

Am Land waren behördliche Kontrolle und Zugriff schon seit dem Frühjahr geringer, das Vertrauen der Menschen untereinander war größer und damit die Situation entspannter. In den kleinen alpinen Dörfern außerhalb der Tourismus-Hotspots ließ sich kaum jemand von den Einschränkungen beeindrucken. Auch in vielen traditionell ÖVP-freundlichen Orten ist die Stimmung gegenüber der Regierung miserabel. Und nicht wenige Wiener haben vom Eingesperrtsein in der Großstadt die Nase voll und meldeten bei Verwandten auf dem Land einen Zweitwohnsitz an.

Soziales Profil von Ungehorsam und Mitläufertum

An den Massentests im Dezember 2020 beteiligten sich vor allem ältere Einheimische, während sich viele Junge und Migranten verweigerten. Viele Türkischstämmige haben ein instrumentelles Verhältnis zum österreichischen Staat und identifizieren sich mit der hiesigen Gesellschaft und den hiesigen Vorschriften kaum. Da ihre Identität vielmehr türkisch-nationalistisch und islamisch-konservativ ist, kann das insgesamt kaum als positiv gesehen werden, stellt aber im aktuellen Zusammenhang für die dem Multikulturalismus verpflichtete Regierung ein Problem. Viele Migranten aus Osteuropa, die in Wien leben, stehen den Regierungsmaßnahmen ebenfalls sehr skeptisch gegenüber, überwiegend deshalb, weil die bürokratisch-totalitären Regimes ihrer Heimatländer sich tief in ihr kollektives Gedächtnis eingegraben haben und sie auf jede totalitäre Tendenz entsprechend „allergisch“ reagieren.

Am klarsten gegen all die Repressalien sind die meisten Jungen und die meisten Arbeiter. Letztere, oft FPÖ- oder Nichtwähler, misstrauen ohnehin den Mainstream-Medien, sind vom ideologischen Apparat des Systems weniger gehirngewaschen und vertrauen oft auf ihren gesunden Klasseninstinkt, dass „die da oben“ etwas Dreckiges planen. Auch der Großteil der ländlichen Bevölkerung lehnt die behördlichen Eingriffe in ihr Leben ab. Mehr Zustimmung zu den Regierungsmaßnahmen gibt es in den größeren Städten und hier vor allem in den akademischen Milieus, unter Beamten von Ministerien und Funktionären von ÖVP, Grünen und SPÖ und ihren engeren Umfeldern. Das alles sind Gruppen, die von den ideologischen Apparaten der Parteien, der Unis, der Ministerien und der Mainstream-Medien mit ihren offiziellen „Experten“ auf Linie gebracht wurden.

Eine spezielle Rolle spielen die Lehrer, die besonders in den Großstädten von den Grünen dominiert sind. Sie haben schon in den letzten Jahren diverse Kampagnen des Mainstreams ihren Schüler reingedrückt, etwa die neoliberale, vom Kapital geförderte Massenmigration nach Europa humanistisch beklatscht oder die ihnen anvertrauten Minderjährigen unter teils massivem Druck auf die „Fridays for Future“-Demos geschleppt. Nun hat die offiziell verordnete Angst die allermeisten Lehrer erfasst, diese geben sie an die Schüler weiter und errichten in den Schulen ein Regime der Einschüchterung und Überwachung — mit erheblichen psychischen Folgen für die Kinder und Jugendlichen. Die schlimmsten Konformisten sind dabei meist diejenigen, die sich stets als besonders fortschrittlich und kritisch hervorgetan haben.

Neben den Lehrern und Mainstream-Medien statuiert der Staat auch immer wieder Exempel, um die Einschüchterung der Menschen aufrechtzuerhalten. In Kärnten wird ein Hüttenwirt nach einer anonymen Denunzierung angezeigt, weil er auf einer Terrasse Getränke ausgeschenkt hatte, im Burgenland eine Amtsärztin suspendiert und in Oberösterreich ein Volksschuldirektor abgesetzt — jeweils wegen Teilnahme an einer „Corona-Demo“. Trotzdem verwandelt sich der Unmut der Mehrheit der Bevölkerung immer mehr in aktiven Widerstand. Die Teilnehmerzahlen der Demonstrationen für Grundrechte und Freiheit zeigen das deutlich.

Vom Unmut zum Widerstand

Laut einer Studie von Anfang Februar 2021 engagieren sich 27 Prozent der Befragten auf Demos oder in Foren öffentlich mehrmals oder regelmäßig gegen die staatlichen Maßnahmen. Der Unmut der Menschen hat sich lange unter der Oberfläche aufgebaut. Die Mobilisierungen waren im Frühjahr und auch noch im Sommer 2020 — etwa verglichen mit Deutschland — relativ klein.

Zusammenschlüsse wie die Ärzte-Initiative für evidenzbasierte Corona-Information (ICI), die Plattform Respekt, die Bürgerbewegung 2020 oder „Querdenken in Österreich“ spielten eine Vorreiterrolle, konnten aber lange keine Massenwirkung erzielen. Die FPÖ hat sich nach anfänglichem Zögern als einzige Parlamentspartei ziemlich klar gegen diverse Corona-Repressalien positioniert, aber lange nicht zu Kundgebungen aufgerufen. Die linken Gruppierungen unterstützten, bis auf wenige Ausnahmen, die Panikmache des Regimes.

Mit dem neuerlichen Lockdown ab November änderte sich die Lage sukzessiv. In immer mehr Kleinstädten und Landeshauptstädten gab es Demos mit einigen tausend Teilnehmern, die sich von Drohungen und Repressalien nicht einschüchtern ließen.

Im Januar 2021 mussten schließlich auch die Landeshauptmänner von Tirol (ÖVP) und Kärnten (SPÖ) einräumen, dass die Stimmung in der Bevölkerung „kippt“.

Gleichzeitig gewannen die Demos eine neue Qualität. Die Bewegung wurde in die Hauptstadt getragen. Am 16. Januar 2021 marschierten in Wien — trotz Repressalien und zum Entsetzen des Establishments — um die 20.000 Menschen gegen die Maßnahmen und für Grundrechte.

Die Kundgebungen am 31. Januar 2021 wurden dann von der Polizei — wohl auf politische Anordnung des ÖVP-Innenministers — verboten. Die FPÖ meldete daraufhin eine Kundgebung an, die der Bewegung als legaler Rahmen dienen sollte. Sie wurde ebenfalls untersagt — seit 1945 das erste Mal, dass eine Kundgebung einer Parlamentspartei verboten wurde. Dennoch strömten am Nachmittag immer mehr Menschen in die Innenstadt. Die ersten Gruppen wurden von der Polizei eingekesselt, die Polizeiketten aber schließlich von Tausenden von außen umlagert, bis die Polizei schließlich die Straße freigeben musste und erneut um die 20.000 Menschen stundenlang durch die Stadt zogen. Diese Durchsetzung des Demonstrationsrechtes war ein wichtiger Sieg der Freiheitsbewegung.

Zusammensetzung der Protestbewegung

Diese Bewegung ist ausgesprochen heterogen zusammengesetzt. Die überwiegende Mehrheit sind Menschen aus der Arbeiterklasse oder der nicht-akademischen Mittelschicht. Bezeichnend war auch, dass die Bewohner der Gemeindebauten am Gürtel der Demo oftmals applaudierten oder sich sogar anschlossen, während Bewohner der schicken Altbauten des grünen Bobo-Bezirks Neubau die Demonstranten beschimpften. Eindeutig überrepräsentiert am 31. Januar waren definitiv auch Frauen und extra Angereiste aus der Provinz. Und im Gegensatz zu früheren Demos waren unter den Teilnehmern sehr viele Menschen zwischen 20 und 30 sowie viele Migranten, besonders aus Ost- und Südosteuropa.

Die große Mehrheit der Demonstranten politisch nicht organisiert oder auch nur eindeutig zuzuordnen. Linke Kräfte sind nicht organisiert präsent, sondern nur einzelne Che-Fahnen oder Hammer&Sichel-Tätowierungen sichtbar. Aber man trifft schon etliche versprengte Leute, die man aus linken Zusammenhängen kennt. Angesichts dieses Versagens der Linken steigt das Gewicht der — ebenfalls geringen — organisierten rechten Kräfte in der Bewegung, insbesondere des identitären Milieus. Diese versuchen allerdings keinesfalls, die Bewegung zu kapern, sondern halten sich ziemlich zurück und treten überwiegend nur mit Nationalfahnen auf.

Ähnliches gilt für die FPÖ, die offenbar genau weiß, dass eine Dominanz ihrerseits auch etliche Menschen abschrecken würde. Die Partei vermeidet bislang eine Vereinnahmung und scheint vielmehr an der Breite der Bewegung interessiert zu sein. Gleichzeitig haben die FPÖ und insbesondere ihr Klubobmann Herbert Kickl, anders als bei früheren Mobilisierungen, am 31. Januar 2021 ursprünglich zur Teilnahme an den angemeldeten Demos aufgerufen und sogar zu den untersagten „Spaziergängen“ drei Parlamentarier geschickt, was für die anderen Teilnehmer ein gewisser Schutz war.

Und noch drei weitere Gruppen sind auf den Demos nennenswert erkennbar: erstens religiöse Menschen wie Christen und Buddhisten, denen insbesondere der Transhumanismus von Klaus Schwabs Great Reset gegen den Strich geht; zweitens Menschen aus dem alternativmedizinischen Bereich, die ganzheitliche Ansätze bevorzugen und Zwangsimpfungen zurecht als Horror empfinden; drittens Fußballfans, die auf polizeiliche Vorschriften ohnehin nicht gut zu sprechen sind und die sich nun auf den Demos nicht so leicht verscheuchen lassen.

Die Demos seit Mitte Januar sind ein eindeutiger Erfolg. Die Lockerungen ab 8. Februar sind sicherlich diesen Kundgebungen und der gekippten Stimmung geschuldet.

Dennoch ist Triumphalismus nicht angesagt. Die Regierung hat die gesamte internationale globalistische herrschende Klasse hinter sich und allein von daher etliche Möglichkeiten. Sie werden es mit neuen Wellen der Angstmache und Drohungen ebenso versuchen wie mit Repression und Existenzvernichtungen. Und Mobilisierungen können sich auch totlaufen, wenn sie keine weitergehende Perspektive finden.

Auf der anderen Seite werden die zunehmenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Lockdowns den Unmut und die Wut großer Teile der österreichischen Bevölkerung weiter anfachen und irgendwann können die Obrigkeiten den Bogen auch überspannen. Ob Einschüchterung und Apathie die Oberhand gewinnen oder Selbstbehauptung und Widerständigkeit, ist nicht vorgegeben. Wichtig wird sein, ob es der Bewegung gelingt, sich mit der sozialen Frage zu verbinden, Widerstand gegen Betriebsschließungen und Kündigungen zu organisieren und Streikaktivitäten zu entwickeln. Ziele sind natürlich letztlich die Rücknahme diverser Grundrechtseinschränkungen und Kündigungen sowie der Sturz der globalistischen Great-Reset-Regierung.

Postskriptum

Am 13. Februar fand in Wien erneut eine Demonstration gegen die Regierungsmaßnahmen statt. Trotz Eiseskälte und eines neuerlichen Verbots waren erneut an die 10.000 Menschen gekommen. Und erneut sah man eine Mischung aus Österreich-Fahnen und eher linksalternativen Menschen. Eventuell war diesmal der Anteil der Jüngeren noch höher. Auch diesmal wurden wiederholt Teile der Protestierenden vorübergehend eingekesselt, Identitätsfeststellungen durchgeführt. Über 1.500 Anzeigen wegen Verstößen gegen die Corona-Verordnungen oder das Versammlungsrecht wurden ausgesprochen.

Und auch diesmal wirkte es so, als würde die Polizei — auf Weisung des ÖVP-Innenministers? — versuchen, die Demonstranten durch diese Schikanen zu provozieren, damit die Mainstream-Medien und die Regierung die Bilder von „Gewalttaten“ bekommen, die sie dann gegen die Kritiker benutzen können.

Aber auch diesmal waren sie damit nicht erfolgreich, denn all die tausende Menschen blieben ruhig, beherrscht und gewaltfrei. Schlussendlich war der 13. Februar ein neuerlicher Sieg für die Freiheitsbewegung, denn erneut konnte das Demonstrationsrecht gegen ein Verbot der Obrigkeit durchgesetzt werden.

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Dieser Beitrag erschien am 17.02.2021 im Rubikon – Magazin für die kritische Masse

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Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Rainer Mausfeld aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

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Danke an den Autoren für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Max Pelikan / shutterstock

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