Corona-Untersuchungsausschuss – Teil 41 oder 16.3 | Von Jochen Mitschka

Majestätsbeleidigung oder notwendige Prüfung?

Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

In der Corona-Ausschusssitzung Nr. 16 vom September 2020 wurde das Thema “Die Corona-Sprechstunde: Hilfe zur Selbsthilfe bei Masken, Tests, Quarantäne” (1) zunächst intern besprochen, dann mit Professor Martin Schwab, einem Rechtswissenschaftler und schließlich mit Rechtsanwalt Sattelmaier.

RA Sattelmaier berichtete über seine Erfahrungen hinsichtlich strafrechtlich relevanter Themen, sowohl in Bezug auf Teilnehmer an Demonstrationen, als auch mit Blick auf Übergriffe gegen Menschen, die keine Masken trugen, aber auch unter Berücksichtigung von Taten, die durch Menschen ohne Masken begangen wurden.

Nachdem Dr. Füllmich darauf hingewiesen hatte, wie die Polizei in Berlin bewusst eine Kesselsituation erzeugt hatte, um dann mit der Begründung “keine Abstände” die Demonstration auflösen zu können, fragte er Sattelmaier nach seinen Erfahrungen.

Dieser wies darauf hin, dass er die Polizei darauf aufmerksam gemacht hatte, dass durch die Absperrung, und die Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Demonstranten die Situation erst eintreten würde, dass diese die Abstände nicht einhalten könnten, und dass die Polizei verpflichtet wäre, bei der Einhaltung der Auflagen für die Demonstration mitzuwirken. Was man achselzuckend ignoriert hätte. Woraus er schloss, dass der “Infektionsschutz” für die Regierung Berlins offensichtlich doch nicht so wichtig war.

Er berichtete, dass schon sehr früh immer wieder von “Auflösung” auf Seite der Polizei die Rede war, ohne dass aber den Demonstranten durch Ausweitung der Absperrungen überhaupt ermöglicht wurde, die Abstände einzuhalten.

Er habe dann angesichts der drohenden Auflösung selbst die Menschen aufgefordert, vor der Bühne die Abstände einzuhalten. Was dann auch erfolgreich dazu führte, dass Menschen den Bereich verließen, worauf der Grund für die Auflösung dort weggefallen war.

Dr. Füllmich fragte dann, woher man eigentlich wissen könne, ob der Abstand von 1,50 Metern eingehalten wird, und wie könne man denn überhaupt den genauen Abstand feststellen. Daraufhin erklärte RA Sattelmaier, dass das eben gar nicht möglich ist. Er bearbeite gerade Fälle, in denen ein Bußgeld aufgrund von Nichteinhaltung der Abstände verhängt worden war. In den Anzeigen wäre lapidar bemerkt worden, dass der Abstand nicht eingehalten worden wäre. Ohne aber zu beschreiben, wie der Mindestabstand überhaupt festgestellt wurde. Das wäre auf den Demonstrationen auch der Fall gewesen. Die Feststellung der Abstände wäre willkürlich erfolgt.

Dabei wäre z.B. nie ermittelt worden, ob Menschen, die zusammen standen, aus einem Haushalt stammten, und außerdem hätte es in Berlin eine Regelung gegeben, nach der sich bis zu 10 Personen treffen durften.

Im Ausschuss wurde dann über Aktionen berichtet, die sich künstlerisch und witzig zu den Auflagen äußerten. So gab es z.B. in Google Maps mit witzigen Icons Hinweise auf Geschäfte, die auch Menschen als Kunden begrüßten, welche von der Maskenpflicht befreit waren und andererseits Hinweise auf Geschäfte, die solche Kunden abwiesen. Ein anderes Beispiel war die “Masken-App”. Ein lustiges kleines Hörspiel, das berichtete, wie eine Handy-App angeblich vor dem Virus schützt.

RA Sattelmaier wies darauf hin, dass zwar Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen können, ausdrücklich in den Verordnungen ausgenommen wären, dass sich aber in der Praxis im Einzelhandel eine Art “Paralleljustiz” entwickelt hätte, welche rigoros Maskenpflicht für jeden durchsetzen wolle. Was sogar dazu führt, dass Straftaten begangen werden.

Es findet eine immer größere Spaltung der Gesellschaft statt, die sich dann auch in Straftaten manifestiert, wo man sagt, es kommen Leute mit Straftaten in Berührung, die noch nie in irgendeiner Form strafrechtlich in Erscheinung getreten sind.” Einerseits wären das Menschen, die ihr bestehendes Recht versuchten durchzusetzen, andererseits solche, die das zu verhindern suchten.

Er berichtete von einem Fall, in dem ein Kunde nicht bedient wurde, was dann zum Vorwurf des räuberischen Diebstahls führte. Dabei wollte der Kunde bezahlen. Räuberischer Diebstahl ist ein Verbrechen, das mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis geahndet wird.

Diese Fälle wären noch gar nicht in die gerichtlichen Verfahren gekommen, und würden demnächst die Gerichte stark beschäftigen.

Ein weiteres Beispiel betraf einen “Durchschnittsbürger“, der noch nie irgendetwas mit der Polizei zu tun gehabt hatte, der zum Straftäter gemacht werden sollte, weil er ein Schild am Rosa-Luxemburg-Platz hochgehalten hatte mit der Aufschrift “Die Apokalypse fällt aus, Herr Drosten“. Zu dieser Zeit war es strafbar, an jeglichen Versammlungen teilzunehmen.

Dann berichtete er, dass auch Ärzte massiv “angegangen” wurden. Er hätte das auch auf verschiedenen Demonstrationen erlebt, bei denen die Maskenpflicht zur Auflage gemacht wurde, und die Befreiung durch ein Attest oder amtliches Schriftstück glaubhaft gemacht werden musste. Dann wäre die Polizei, zum Beispiel in Hannover, hingegangen und hätte Maskenatteste kontrolliert, und versucht, gegen Ärzte Ermittlungsansätze zu bekommen. Absurderweise konnte man die Maske abnehmen, wenn man sich hinsetzte, so stand es in den Auflagen. Sobald man aufstand, ohne die Maske anzuziehen, musste man damit rechnen, von der Polizei angesprochen zu werden.

Die Polizei hätte aber die Erleichterung einfach nicht beachtet, und auch Menschen angesprochen, die auf dem Boden saßen und deshalb die Maske nicht tragen mussten, und nach dem Attest gefragt. Was rechtswidrig gewesen wäre. Und leider passierten in letzter Zeit immer mehr Dinge durch die Polizei, die eindeutig rechtswidrig sind. Und man könne nichts dagegen tun. Wenn man als Rechtsanwalt z.B. von der Polizei daran gehindert wird, zu einem Mandanten zu gehen, muss man erst einmal einen Eilantrag beim Gericht stellen, der aber an der akuten Situation nichts mehr ändert.

Sattelmaier berichtete dann, dass ab September 2020 in Nordrhein Westfalen eine neue Corona-Verordnung in Kraft trat, welche zwar Maskenbefreiung per Attest beinhaltete, aber forderte, dass in dem Attest die Gründe aufzuführen wären. Das bedeutet, dass nur noch befreit ist, wer ein Attest mit Diagnose vorweisen kann. Was eine grobe Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht ist. Per Gesetz wird damit die ärztliche Schweigepflicht aufgehoben. Auch in Bayern hätte ein Gericht festgestellt, dass das Attest eine Diagnose enthalten müsse.

Prof. Schwab erklärte dazu, dass es in Würzburg im Fall eines Gerichtsverfahrens eine Frage der Glaubhaftmachung gewesen wäre, als die Richter die Gründe für die Attestausstellung anforderten. Das wäre keine allgemeine Aufhebung der Schweigepflicht, sondern auf einen akuten Fall bezogen die gerichtliche Einforderung der Begründung. Dieses Vorgehen wäre aber neu.

Sicher könnte man in ein Gesetz schreiben, dass ein Befreiungsattest nur von einem Amtsarzt erstellt werden kann. Das wäre aber nicht geschehen. Gegenüber einem approbierten Arzt dann zu behaupten, dass man ihm nicht glaubt, was er schreibt, ist ein unzulässiger Generalverdacht.

Dann wurde über einen Fall aus dem Familienrecht gesprochen. Die Mutter verweigerte dem geschiedenen Mann den Zugang zum gemeinsamen Kind ohne Vorlage eines negativen Corona-Tests. Das ginge nur, so Prof. Schwab, wenn es in einer gerichtlichen Regelung festgelegt ist. Ansonsten ist das Kind zum Umgang mit dem Vater berechtigt. Die willkürliche Maßnahme der Mutter würde nicht nur das Recht des Vaters verhindern, sondern auch, dass er seiner Pflicht als Vater nachkommt.

RA Sattelmaier berichtete, dass er einen ähnlichen Fall bearbeitet hätte. Dort hätte eine Mutter dem Vater den Wochenendumgang mit dem gemeinsamen Kind verweigert, weil dieser an einer Corona-Demo teilgenommen hatte, und sich über Facebook kritisch zu den Regierungsmaßnahmen geäußert hatte. Die Richterin hatte tatsächlich zunächst dem Antrag der Mutter stattgegeben und dem Vater den Umgang mit dem Kind für das betreffende Wochenende verboten.

Es kam dann zu einer mündlichen Verhandlung. Dabei stellte sich heraus, dass die Mutter gerade mit den Kindern aus Spanien zurückgekommen war, einem Risikogebiet nach Angabe des Robert Koch-Institutes. Woraus dann zu schließen war, dass nicht das Kindeswohl im Vordergrund stand, sondern die Mutter willkürlich versuchte, dem Vater den Umgang mit dem Kind zu verweigern. Deshalb beschloss dann das Gericht, dass der Kontakt des Vaters zu seinem Kind unmittelbar nach der Verhandlung nachgeholt werden konnte.

Aber es wäre bedenklich, dass die Gesellschaft bereits so weit gespalten ist, dass Gerichte entscheiden, dass Vätern der Umgang mit ihren Kindern verweigert wird, weil sie an einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen teilgenommen hatten. 

Sattelmaier berichtete, dass er seinen Beruf seit 18 Jahre ausübe, aber so absurde Fälle wie in dieser Krise durch die Regierungsmaßnahmen noch nie erlebt hätte.

Dr. Wodarg wies dann auf ein Gesetz hin, was viele Dinge erklären würde, die man 2020 beobachtete. Es handele sich um das “Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten” vom 17. Juli 2017. Es hätte weder eine öffentliche Diskussion, noch Berichte in den Medien dazu gegeben. Auch in den Anhörungen wären nur Spezialisten zu Wort gekommen. Dabei enthalte das Gesetz schwerwiegende Ermächtigungen, zum Beispiel in Paragraf 13.

Die Regierung könne sich nach dieser Regelung einen beliebigen Erreger aussuchen, und darauf basierend eine Verordnung erstellen, und das Infektionsschutzgesetz “so gewaltig verändern und ergänzen“, dass dadurch schwerwiegende Rechtseingriffe möglich werden. Entscheidend laut dem Gesetz ist eine “schwerwiegende Gefahr“, ohne genaue Definition, was darunter zu verstehen ist. Im Übrigen könne man das Gesetz auch “Datenerntegesetz” nennen.

Die Schweinegrippe war die mildeste Grippesaison seit vielen Jahren gewesen, damals, also vor diesem Gesetz, hatte man auch behauptet, dass eine “schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit” bestanden hätte. Mit diesem neuen Gesetz könne man nun jede beliebige angebliche Gefahr benutzen, um mit Verordnungen die Rechte der Menschen drastisch einzuschränken.

Sattelmaier berichtete dann, dass er im Wahlkreis von Karl Lauterbach wohne, nur ein paar hundert Meter entfernt. Er hätte seinen Bundestagsabgeordneten angeschrieben, sich vorgestellt und sachliche Fragen gestellt, worauf er keinerlei Antwort erhalten hatte.

Dr. Füllmich fragte dann, dass es später einmal entscheidend sein wird, ob die Protagonisten der Verbreitung von Angst und Schrecken absehen konnten, welche Folgen ihre Äußerungen haben werden, wie sie sich schon 2020 in den Berichten der Anwälten spiegelten. “Es ist eine Frage der Kausalität, denn üblicherweise ist es so, im Recht der unerlaubten Handlungen, hier geht es um vorsätzliche Täuschung (…) muss ich hier eine schädigende Handlung haben und am Ende den Schaden haben. Dazwischen brauche ich noch Verschulden aber auch die Kausalität“.

Dabei gibt es die Äquivalenztheorie, also wäre das, was passierte, auch ohne die schädigende Handlung passiert. Im vorliegenden Fall ging es aber um indirekte Kausalität. Jemand erzählt etwas, dadurch wird ein Lockdown gemacht, dadurch entsteht der Schaden. “Ist das noch adäquat kausal?”.  Darüber wird man lange streiten.

Sattelmaier erklärte, dass er die größte Chance für eine Aufarbeitung bei den Strafgerichten sehen würde, weil dort die Verarbeitung langsam beginne. Bei Strafverfahren wird nämlich immer eine Beweisaufnahme durchgeführt. Dr. Füllmich schloss sich der Aussage an und erklärte, dass bereits einige Mandate zur Durchführung von Strafverfahren in Bearbeitung wären, bei denen auch ausreichende finanzielle Möglichkeiten bestünden, sie durchzusetzen. [Anmerkung: Diese Äußerung stammt aus 2020. Inzwischen wurde bekannt, dass angeblich durch Einflussnahme der Regierung die Streitsumme in einem Fall auf mehrere Millionen Euro angehoben wurden, was zu Gerichtskosten in der Höhe von mehreren hunderttausend Euro führt, offensichtlich um eben solche Gerichtsverfahren zu verhindern.]

RA Sattelmaier meinte, dass es sich immer lohnen würde, Einspruch einzulegen und es auf ein gerichtliches Verfahren ankommen zu lassen, wenn es sich um Bußgelder handelte, die eindeutig mit Corona in Zusammenhang stehen. Ihm wäre im September 2020 noch kein abgeschlossenes Verfahren bekannt, in welchem der Bußgeldbescheid bestand gehabt hätte.

Was Strafverfahren angehe, gäbe es auch Straftaten, die unmittelbar mit den Coronamaßnahmen zu tun hätten. Auch in diesen Fällen würde es sich lohnen, Einspruch einzulegen. Tatsächlich wäre es so, dass Strafgerichte immer auch in eine Beweisaufnahme gehen, und deshalb der Rechtsanwalt in der Lage ist, etwas zu unternehmen. Anders als in Eilverfahren vor Verwaltungsgerichten, bei denen sich die Gerichte in keiner Weise mit Einwendungen befassen würden.

Die Verfahren vor Strafgerichten wären die Vorgänge, die nun am schnellsten zu Klärungen führen würden, weshalb Sattelmaier hoffte, dass diese die Situation juristisch aufarbeiten würden. Allerdings werde kein Amtsrichter eine Verordnung für verfassungswidrig erklären, meinte er dann doch.

Als er eine Woche vorher eine Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit gemacht hatte, so Sattelmaier, hätte sich der Richter immerhin die Mühe gemacht, überhaupt etwas dazu im Urteil auszuführen. Es wäre der erste Strafrechtsfall in Berlin gewesen, der aus der Zeit der Hochzeit des Lockdowns stammte. Er hatte einen Freispruch beantragt. Der Richter hätte es sich einfach machen, und den Mandanten aus tatsächlichen Gründen freisprechen können. Stattdessen hat er ein Gesetz herangezogen, mit dem er die Tat zu einer Ordnungswidrigkeit herabstufen konnte. Was natürlich eine Strahlkraft auf die anderen Fälle aus dieser Zeit hätte.

Das führte dazu, dass die “politische” Staatsanwaltschaft das Urteil nicht akzeptierte und durch ein Revisionsverfahren versuche, diese Menschen weiter zu Straftätern zu machen. Insofern hätte der Richter, vor dem man den Hut ziehen müsse, durchaus ein Signal gesetzt.

Prof. Schwab antwortete dann auf die Frage, ob man als Frisörin, welche ein Maskenbefreiungsattest hat, weiterhin in Kundenkontakt treten dürfe. Darauf antwortete er mit einem klaren ja. Es gäbe keine Rechtsgrundlage, das Gewerbe zu verbieten, da die Maskenverordnung klar die Maskenbefreiung erwähne.

Wie geht es weiter?

In der nächsten Woche beginnt die Zusammenfassung der Sitzung 17, die das Thema behandelt “Die Volkswirtschaft im Griff der Pandemie“.

Quelle:

  1. https://youtu.be/zQTW-ZNgtkU

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: ©OvalMedia

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