Corona-Untersuchungsausschuss – Teil 34 oder 14.2 | Von Jochen Mitschka (Podcast)

Majestätsbeleidigung oder notwendige Prüfung?

Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

In der Corona-Ausschusssitzung Nr. 14 vom September 2020 wurde das Thema “Der Rechtsstaat und die Berliner Demonstrationen” (1) behandelt. Die Zusammenfassung setzt fort mit der weiteren Anhörung von Daniel Siber, einem früheren Kommunalpolitiker der Partei Bündnis90/Die Grünen. Er verlor seinen Fraktionsstatus, als er öffentlich gegen die Maßnahmen der Regierung in der Corona-Krise Stellung nahm. Wer schon Zweifel hegte, dass Deutschland durch Corona kein Rechtsstaat mehr ist, der sollte besser die folgenden berichteten Fakten nicht lesen, um nicht endgültig den Glauben zu verlieren.

Herr Siber wies darauf hin, dass nicht mehr über “die Sache” oder “Fakten” diskutiert werde, sondern dass Themen moralisch aufgeladen sind, und die Diskussion, bzw. andere Meinungen, delegitimiert werden. Das hat natürlich den Vorteil, so Siber, dass man auch ohne große Sachkenntnis einen Disput zu seinen Gunsten schnell beenden kann, indem man dem Anderen Seriosität abspricht.

Dr. Hoffman erweiterte die Beobachtung in dem er von “no-platforming” sprach. Einem Menschen werden bestimmte Eigenschaften zugewiesen, dann wird ihm die Möglichkeit genommen, darauf zu antworten, indem offizielle Medien ihn schneiden, die sozialen Medien ihn sperren, Youtube seine Videos löscht und Patreon die Spenden nicht mehr annimmt. Ob das demokratisch wäre, wurde er gefragt. Was Dr. Hoffmann natürlich deutlich verneinte.

Daniel Siber wies dann darauf hin, dass man in der Corona-Krise immer wieder beobachten könne, was durch viele Untersuchungen bereits festgestellt wurde. “Politische Entscheidungsprozesse zirkulieren um die Entscheidung.” Wird eine Entscheidung getroffen, muss sie auch stark verteidigt werden, und wird nur ungern aufgeweicht, oder zurückgenommen. Meist erst über einen längeren Zeitraum. Er beschrieb dann, wie Politiker ihm erklärten “wenn man später einmal alle Fakten vorliegen hat“, als ersten Schritt, eine Entscheidung zurück zu nehmen. Immer unter Behauptung, dass der derzeitige Wissensstand keine andere Entscheidung zulassen würde. Obwohl diesen Politikern ganz offensichtlich gar nicht alle Informationen vorliegen, bzw. bewusst sind.

Er fragte dann, warum die Bevölkerung die Entscheidung ohne einen wirklichen Diskurs hinnahm. Menschen, so Siber, hätten eine Status-Quo-Neigung und wünschten zunächst, dass sich nichts ändere. In Krisenzeiten würden Menschen diese Neigung extrem ausleben und schon fast religiös zementieren. “Dann sind Menschen bereit, unglaublich viel mitzutragen, nur um ihr ‘Normal’ zurück zu bekommen“. Genau dieser Effekt wäre mit dem Panikpapier deutlich als Politik der Regierung eingesetzt worden.

Die Anpassung wäre so weit gegangen, dass neu eingeführt Normen so stark aufgenommen wurden, dass Menschen nicht nur selbst diese Normen, wie z.B. Abstand oder Mundschutz, erfüllten, sondern sie vehement von Anderen einforderten. Das Regieren durch Angst würde die Gesellschaft stark verändern, was man heute schon erkennen könne. Menschen werden physisch angegriffen, ausgegrenzt, bedroht, ihre Existenz wird vernichtet, nur weil sie eine andere Meinung vertreten. Was dazu führe, dass Menschen sich nicht mehr getrauen, offen ihre Meinung zu äußern. Alles bereits wissenschaftlich untersucht und nachgewiesen.

Dann kam er auf die Frage zu sprechen, wie wissenschaftsnah Politik entscheide, und wen sie hinzuzieht um “wissenschaftlich basierte” Entscheidungen zu treffen. Er erwähnte als Beispiel die Situation in den Schulen. Nachdem er die Maßnahmen chronologisch erklärt hatte, stellte er fest, dass sie immer restriktiver wurden. Die Begründung lautete “Wir wollen alle nicht, dass Schulen geschlossen werden, deswegen müssen die Kinder diese Maßnahmen mittragen“.  Eltern hätten nun Angst ihren Job zu verlieren, weil sie wieder auf die Kinder aufpassen müssen, und dafür nicht mehr vom Arbeitgeber freigestellt werden. Bei Kindern rufe es ebenfalls Angst hervor, so Siber, die käme dann zu der allgemeinen Angst vor Bestrafungen in der Schule hinzu, die Angst dass man ausgeschlossen wird, wenn man die neuen Regeln nicht beachtet.

Halte ich mich nicht an Regeln, deren wissenschaftliche Wirkung gar nicht klar ist, für Kinder sowieso nicht, dann werde ich aus einer sozialen Gemeinschaft isoliert und ausgeschlossen.”

Das hätte es schon mehrfach in Deutschland gegeben, und das wäre kein besonders erfreulicher Vorgang. Die Maßnahme wäre allenfalls tolerierbar, wenn sie wissenschaftlich so fundiert wäre, dass keine Zweifel an der Notwendigkeit und der Wirksamkeit bestehen würden.

Die Maßnahmen wären also jetzt restriktiver als vor den Ferien. Nun könne die Bundesregierung sagen, “wir haben keine Studien dazu, wir befinden uns hier im Umgang mit einem neuen Virus, wir kennen die Gefahr nicht, deshalb wollen wir auf Nummer sicher gehen.” Das wäre aber aus wissenschaftlicher Sicht eindeutig nicht die Wahrheit.

Dann verlas er Hinweise aus Studien, die eindeutig feststellten, dass Kinder unverhältnismäßig unter den Maßnahmen leiden, und dass sie weder wirksam, noch notwendig sind.

Darunter waren Studien der Technische Universität Dresden, der Uniklinik Freiburg, der Uniklinik Heidelberg, der Uniklinik Tübingen, der Uniklinik Ulm, der Uniklinik Bochum, der Uniklinik Düsseldorf, der Uniklinik Hamburg Eppendorf.

Studien zeigten auch auf, dass sich Schulen nie zu einem Hotspot entwickelt hatten. Ebenso wenig wie Demonstrationen.

Dr. Füllmich warf ein, dass weder nach den BLM-Demonstrationen (Black Lives Matter) noch nach den beiden großen Demonstrationen für Grundrechte und gegen Regierungsmaßnahmen in Berlin hätte es Beweise für Hotspot-Verantwortlichkeit dieser Demos gegeben. (2)

Siber fuhr dann fort eine Studie der Universität Leipzig und weitere internationale Studien anzuführen, darunter Untersuchungen aus Australien, Island, den Niederlanden, und aus Großbritannien, von dort gäbe es alleine sieben Studien. Schließlich kam er zu Untersuchungen über die psychischen Folgen für Kinder. Dazu gäbe es eindeutige Warnhinweise von der Uniklinik Hamburg und der Pronova BKK, die eine Umfrage unter hunderten von niedergelassenen Ärzten organisiert hatte.

Die Universität Hildesheim, das Goethe-Institut Frankfurt haben ebenfalls die Folgen des Lockdowns untersucht. Die private Situation von Kindern im Rahmen des Lockdowns war auch vom Deutschen Jugendinstitut in München, vom Kinderschutzbund in Thüringen und von der Fachhochschule Erfurt Grund für eine Studie. Und darüber hinaus gäbe es noch viel mehr wissenschaftliche Untersuchungen, welche zum großen überwiegenden Teil gegen restriktive Maßnahmen argumentierten. Alle wären zur Verfügung gestanden, bevor die Schulen wieder nach den Ferien begannen.

Die politischen Entscheidungen wären aber komplett von der wissenschaftlichen Erkenntnislage und einem wissenschaftlichen Diskurs abgekoppelt gewesen. “Wenn die Politik sagt, sie ist wissenschaftsnah, dann kann man das nicht so hinnehmen, denn das ist sie defacto gar nicht.”

Dann wies er noch auf die Metastudie von Ioannidis hin, dass die Maßnahmen keinerlei Einfluss auf das Infektionsgeschehen hatten.

Natürlich dürfe man nicht vergessen, dass Menschen ein reales oder eingebildetes Schutzbedürfnis haben können. Dafür gäbe es aber die Freiwilligkeit. Vor dem Lockdown [gemeint ist erster Lockdown 2020] befürworteten 96% freiwillige Maßnahmen und wollten sich auch daran halten. Alleine deshalb war es damals gar nicht notwendig, Zwang anzuwenden, Rechte außer Kraft zu setzen. Welchen negativen Einfluss Zwangsmaßnahmen des Staates auf die Demokratie haben, wäre bekannt.

Siber erwähnte dann, dass es natürlich auch Studien gäbe, welche teilweise das Regierungshandeln stützen, allerdings wären es quantitativ viel weniger und außerdem ältere Studien. Die Experten, welche sich für diese oder härtere Maßnahmen aussprechen, sind in der Minderheit. Die Regierung unternehme keine Bemühungen kritische Stimmen zu hören, und der Bevölkerung die Angst zu nehmen.

Dr. Füllmich meinte, dass nun die Justiz die letzte mögliche Instanz wäre, die Maßnahmen der Regierung zu korrigieren, und die aufgeführten Studien wären Beweismittel. Es werde sich nun zeigen, ob dieser letzte Rettungsanker der Demokratie noch funktioniert.

Herr Siber brachte aber eine abweichende Meinung zum Ausdruck, und meinte, dass die Bevölkerung einen wissenschaftlichen Diskurs fordern müsse und würde, der noch vor dem Urteil der Justiz zu einer Veränderung führen sollte. Es könne niemand etwas dagegen einwenden, dass ein öffentlicher wissenschaftlicher Diskurs stattfindet.

Dann erzählte er, dass in Bayern von über 200 Klagen, bis auf 8 alle erfolgreich gewesen wären, und es wäre ja auch festgestellt worden, dass es keinerlei Aufzeichnungen darüber gäbe, auf welcher Grundlage denn die Entscheidungen der bayerischen Regierung überhaupt gefällt wurden.

Siber gab dann zu bedenken, warum die Politiker in der Ecke der Entscheidungen verharren würden. “Je größer Nichtwissen ist bei einer Person, desto selbstsicherer geht sie mit dem eigenen Wissen um.” Das wäre hinlänglich psychologisch erforscht. Je weniger man über einen Sachverhalt weiß, desto selbstsicherer ist man über die eigene Einstellung dazu.

Dann gäbe es den Dunning-Kruger-Effekt, der beschreibt, wie daraus Ignoranz und narzisstische Kränkung entsteht. “Das führt dann zu einem kompensatorischen Mechanismus, die eigene Entscheidung vehement zu verteidigen, selbst wenn es Erkenntnisgewinn gibt.”  Das würden Politiker auch benutzen, um die eigene Unsicherheit zu überwinden. Deshalb fällt es der Politik so schwer, die eigenen Entscheidungen zurück zu nehmen, meint Siber.

Wenn die Politik erkläre, dass Demokratie wehrhaft sein muss, dann wäre der erste und wichtigste Schritt, den öffentlichen Debattenraum zu schaffen, in dem sich kritisch ausgetauscht werden kann.

Viviane Fischer rief dann noch einmal die Vertreter der Regierungsmaßnahmen dazu auf, mit dem Corona-Ausschuss ins Gespräch zu kommen, und evt. auch diesem nicht vorliegende Begründungen und Fakten vorzutragen.

Als nächster Gesprächspartner wurde der Rechtsanwalt Ralf Ludwig angehört. Dieser ist einer der Redner auf den Querdenker-Veranstaltungen. Viviane Fischer bat ihn, etwas zu den Blockademaßnahmen gegen die Demonstrationen zu erzählen.

Rechtsanwalt Ralf Ludwig

Dieser erklärte, dass er den Organisator der Querdenker-Bewegung, Herrn Ballweg rechtlich vertreten würde. Er berichtete über den Beginn der Demonstrationen der Querdenker im April 2020, als man Menschen verboten hatte, mit dem Grundgesetz in der Hand spazieren zu gehen. Dann hätte man, um Demonstrationen in Stuttgart zu unterbinden, behauptet, es gäbe keine Demonstrationen in Deutschland während der Pandemie.

RA Ludwig erwähnte dann, wie er zunächst telefonisch mit den zuständigen Stellen Kontakt aufgenommen hatte, um die rechtliche Situation zu klären. Daraufhin hätte man ihm erklärt, er könne keine Versammlung anmelden, weil die Verordnung aussage, dass Versammlungen generell verboten sind.

Natürlich könne eine Verordnung nicht das Grundgesetz außer Kraft setzen, aber Verwaltungsgerichte hatten die Entscheidung des Verbots trotzdem bestätigt. Das passierte in mehreren Bundesländern und Verwaltungsgerichten. Das Bundesverfassungsgericht hatte dann relativ schnell und “schmucklos” diese Urteile kassiert. Daraufhin wurden Versammlungen erlaubt, aber immer im letzten Moment und mit allen möglichen Hindernissen gespickt.

Dann begannen die Demonstrationen von Herrn Ballweg zunächst mit 50, dann 150, dann 500 und schließlich tausenden von Demonstranten.

Im Mai hätte es dann zwar Demonstrationserlaubnisse gegeben, aber mit maximal 50 Teilnehmern. Und das Bundesverfassungsgericht hatte diese Entscheidung dann für verfassungsgemäß erklärt. Die Begründung lautete, dass es ja ausreichen würde, wenn 50 Menschen der Meinung Ausdruck verleihen würden.

Daraufhin hatte Ludwig das Gericht in einem anderen Verfahren gefragt, ob denn der 51. Demonstrant kein Grundrecht auf Meinungsfreiheit habe. Daraufhin hatte das Gericht keine Antwort gegeben.

Etwas Ähnliches passierte zum Zeitpunkt des Interviews in München. Eine Demonstration war mit 5000 Teilnehmern angemeldet worden, aber die Stadt München hatte die Zahl auf 1000 beschränkt.

Also der Versuch von Gerichten (…) vorzuschreiben, wie das Versammlungsrecht ausgestaltet werden darf, und wann eine Versammlung noch wirkmächtig ist, widerspricht eigentlich Allem, was wir in Jahrzehnten bundesrechtlicher Rechtsprechung über Versammlungen gelernt haben.” In diesem Zusammenhang wies er auf die Brokdorf-Entscheidung hin, in der ausdrücklich gesagt wurde, dass die Ausgestaltung einer Versammlung, so lange sie friedlich ist, ausschließlich beim Organisator liege.

Dr. Füllmich berichtete, dass in Berlin bei der letzten Demonstration über 30 Rechtsanwälte hinter der Bühne gestanden hätten, ihnen gegenüber ca. 20 Polizeibeamten. Sein persönlicher Eindruck wäre gewesen, dass sie den Auftrag hatten, zu provozieren, um die Versammlung auflösen zu können.

RA Ludwig erklärte, dass er das Gefühl habe, dass die Demokratie am Ende wäre, wenn es tatsächlich ein Verbot von Versammlungen gäbe, ein Verbot, das sich ausschließlich auf das Infektionsschutzgesetz beruft. Er war der Meinung, dass Deutschland sich dann in einem Zustand befindet, der Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes rechtfertigt. Allerdings würden sowohl Verwaltungsgerichte als auch Verfassungsgerichte derzeit ein absolutes Verbot nicht zulassen.

Wenn diese letzte Barriere aber fällt, wäre Artikel 8 Grundgesetz nicht mehr in Kraft, und in diesem Fall der Meinungsbildungsprozess in einer repräsentativen Demokratie verboten. Was dazu führe, dass das politische System kein demokratisches mehr ist. Deshalb ist ein absolutes Verbot eher unwahrscheinlich. Allerdings werden die Auflagen und Repressionen immer größer, und die Provokationen, um die Versammlung auflösen zu können, immer häufiger.

Er gab zu, dass die Rechtsanwälte im August zwar gut genug gewesen waren, die Versammlungen überhaupt möglich zu machen, aber nicht gut genug, um sie zu einem guten Ende zu bringen. Daraus hätte man aber gelernt, und zum Beispiel Eskalationsteams geschaffen, und zuletzt 37 Rechtsanwälte vor Ort bereitgestellt.

Auch hinsichtlich der Aufstellung hätte man dazugelernt. Schließlich hatte man zugelassen, dass die Polizei vorne abgeriegelt hatte, und hinten die Menschenmassen reingeführt hatte, damit man das Argument “die Abstände sind nicht gegeben” gegen die Versammlung vorbringen konnte. Das werde nicht mehr passieren. Beim nächsten Mal wird die Versammlungsleitung verhindern, dass zu viele Menschen in einen solchen “Kessel” hereingelassen werden. Er erklärte dann, dass auch andere Dinge, wie das Verbot von Flaggen, dazu dienten, zu verhindern, dass die Medien die von ihnen so sehnsüchtig gesuchten Motive, z. B. von Flaggen vom Kaiserreich, erhalten.

Der RA Ludwig sprach sich dafür aus, Masken zu tragen, wenn sie vorgeschrieben werden, und/oder Abstände einzuhalten, damit sich die Menschen nicht mit den “Verletzungen” der Auflagen auseinandersetzten, sondern mit den Inhalten, welche die Demonstranten auf die Straße brachten.

Er hoffte auf die Gerichtsentscheidungen in den Hauptsachen, weil die Gerichte dann gezwungen sind, inhaltlich auf Gutachten einzugehen, was sie in den Eilverfahren eben verweigerten.

Daraufhin fragte Frau Viviane Fischer, wie lange denn sowas dauern würde. Denn einige Klagen wären ja schon vor Monaten eingereicht worden. RA Ludwig erläuterte dann noch einmal für die Zuschauer, dass es ein Eilverfahren gibt, und ein Hauptverfahren. Die Landesregierung erlässt die Verordnungen. Diese liegen aber in der Bewertung unterhalb eines Gesetzes. Sie werden also nicht von einem Parlament beschlossen. Dagegen gibt es Normenkontrollverfahren. Da überprüft das höchste Verwaltungsgericht des Landes, ob die Verordnung rechtmäßig und verfassungsgemäß sind.

Das höchste bayerische Verwaltungsgericht hatte in dem Zusammenhang erklärt, dass die Gefährdungslage das Robert Koch-Institut einschätzt, diese wäre nicht zu hinterfragen. Das wäre das Ergebnis der Eilverfahren. Das Robert Koch-Institut erkläre unabhängig davon, welche Zahlen dort gesammelt wurden, “wir haben eine hohe Gefährdungslage“. Damit darf der Verordnungsgeber die Entscheidungen treffen, ohne dass das Gericht eine Überprüfung durchführt. Was bedeutet,dass die Gerichte keine Plausibilitätsprüfung der Annahme des RKI durchführen, obwohl sich das RKI selbst widerspricht, z.B. in dem es sagt, die Daten sind niedrig, aber die Gefährdungslage ist trotzdem hoch.

So etwas, erklärte der RA Ludwig, hätte er seit seiner Studienzeit Ende des letzten Jahrtausends bis heute nicht erlebt, denn ein Gericht in der Vergangenheit war immer gehalten, die Plausibilität einer Annahme zu prüfen. “Es ist völlig unvorstellbar (…), gerade in einer solchen Situation, was ja mit heftigen Grundrechtseingriffen verbunden ist, dass ein Gericht keinerlei Plausibilitätsprüfung macht.” Die Gerichte hinterfragen also nicht einmal die eigenen Parameter des Robert Koch-Institutes.

Die Studien, die Herr Siber genannt hatte, schauen sie sich sowieso nicht an, bemerkte RA Ludwig.  Aber es wäre ja schon ausreichend, wenn sie die Parameter des Robert Koch-Institutes hinterfragen würden. Sie müssten eigentlich sagen “Wenn ihr als RKI eigene Parameter aufstellt, dann müsst ihr euch doch auch daran halten. … Was müsste denn gegeben sein, dass eure Gefährdungseinschätzung sagt, sie ist nicht mehr hoch, sondern nur noch mittelmäßig? Wenn doch alle Parameter, die ihr messt schon niedrig sind, wo müssten diese Parameter denn stehen, damit wir von der hohen Gefährdungslage Abstand nehmen könnten?

Diese Frage wird aber nicht gestellt, meinte RA Ludwig. Es würde auch nicht nachgefragt, dass das RKI eine dem Gesundheitsministerium untergeordnete Behörde ist. Das heißt, dass möglicherweise dieser Schritt ‘niedrig, niedrig, niedrig’ zu ‘Gefährdungslage ist hoch’ möglicherweise eine politische Vorgabe ist und gar keine eigene medizinische Einschätzung.” Aber auch dieser Frage auf den Grund zu gehen würde von den Gerichten vermieden.

Hinzu komme, dass die Gerichte nicht darauf eingehen, dass die Einschätzung des RKI seit April 2020 [bis September, dem Zeitpunkt der Anhörung] von der des europäischen Gegenstücks, dem ECDC, dem European Centre for Disease Prevention abweicht. Die sagten schon im April, dass die Gefährdungslage gering ist. “Wenn man das den Gerichten bringt, (…) dann sagen die Gerichte, ‘aber das ist ja eine Einschätzung von April, die ist doch schon so alt, die kann man doch gar nicht mehr nehmen.’ Im April waren die Zahlen aber waren ungefähr sechs, sieben oder acht mal so hoch wie jetzt.” Die Zahlen hätten sich also deutlich verbessert, und schon im April, als die Lage noch wesentlich schwieriger war, hatte das ECDC die Gefährdungslage als niedrig eingeschätzt.

So kommt es dazu, dass Kinder, die gegen die Maskenpflicht klagen, abgewiesen werden. Die Kinder, die in Berlin darauf klagen, eine Maske tragen zu wollen, weil die Abstände nicht eingehalten werden, die werden auch abgelehnt, mit der Begründung, es wäre im Ermessensspielraum des Verordnungsgebers. So müssen Kinder in manchen Bundesländern Masken tragen, in anderen dürfen sie keine Masken tragen.

Erfolgreich wäre man mit Klagen gewesen, bei denen es um Artikel 3 des Grundgesetzes ging, zum Beispiel als der Verordnungsgeber ein Fitnessstudio geschlossen, aber ein Fingernagelstudio geöffnet hatte, und es nicht klar wurde, warum er diese Betriebe unterschiedlich behandelte.  Ansonsten hätte es in den Eilverfahren keine Möglichkeit gegeben, eine saubere juristische Prüfung zu erreichen. Die, so RA Ludwig, bekomme man erst in den Hauptverfahren, und diese werden derzeit “schlicht nicht geführt“, mit der Begründung der totalen Überlastung der Gerichte.

Der RA Ludwig wies dann darauf hin, dass eine Kollegin Akteneinsicht zu der Verordnung beantragt hätte, worauf man geantwortet hatte, dass es keine Akten gäbe. Also war eine Verordnung ohne schriftliche Vorgänge in Kraft gesetzt worden? Daher, so schloss er aufgrund einer Frage von Dr. Füllmich, könne man sicher davon ausgehen, dass solche Verordnungen politisch gefällt werden. Ob es politische Anweisungen gibt, könne er jedoch nicht sagen, nur, dass der Verordnungsgeber nicht sauber arbeite.

Er, also der RA Ludwig, benutze ausschließlich offizielle Zahlen des RKI oder der Landesbehörden und arbeite nur mit Gutachten, die er selber gelesen habe, um eben nicht in die “Verschwörerecke” gestellt zu werden, was trotzdem geschehe, weil er Querdenken juristisch vertrete. Das RKI biete so viele Daten an, dass die Behauptung einer Pandemie eigentlich vollständig “entzaubert” wäre. Die Mitarbeiter arbeiten nicht nur sauber, sondern sind auch kritikfähig, weil sie reagieren positiv auf Hinweise. Es wäre die Interpretation durch die Führung des RKI, welche zu kritisieren ist.

Dann wies er darauf hin, dass der Professor Zastrow, der von der Bild Zeitung zum Hygiene-Papst ernannt worden war, den Gesundheitsminister aufgefordert hatte, dem Robert Koch-Institut zu untersagen, die Zahlen in der seinerzeitigen Form zu veröffentlichen. Vielmehr müsse man hinzufügen, wie viele von den positiv Getesteten, welche als Infizierte dargestellt werden, ohne Symptome sind, wie viele überhaupt Symptome haben, wie viele stationär im Krankenhaus behandelt, und wie viele beatmet werden. Nur daraus könne man politische Maßnahmen ergreifen. Aber auch das, so RA Ludwig, käme nicht bei den Gerichten an.

Wie es weiter geht

Weiter geht es in der nächsten Woche mit dem Rest der Aussagen von RA Ludwig, gefolgt von der Befragung des ehemaligen Polizeikommissars, Lars Oberndorf.

Quellen

  1. https://youtu.be/8uXavZd5uco
  2. Im März 2021 erwähnte dann im Gegensatz hierzu die Tagesschau ein “Diskussionspapier” als “Wissenschaftliche Studie”, welche angeblich beweisen würde, dass die Demonstrationen gegen die Regierungsmaßnahmen (die Black Lives Matter Demonstrationen wurden nicht erwähnt) zu Hotspots geführt hätten.

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Bildquelle:   ©OvalMedia

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