Corona-Untersuchungsausschuss – Teil 32 oder 13.3 | Von Jochen Mitschka (Podcast)

Majestätsbeleidigung oder notwendige Prüfung?

Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

In der Corona-Ausschusssitzung Nr. 13 von August 2020 wird das Thema “Mittelstand in der Krise, Staatsverschuldung, Pandemiegewinnler” (1) behandelt. In diesem dritten Teil der Zusammenfassung diskutierte der Ausschuss zunächst noch mit Dr. Wolf-Dieter Stelzner und Prof. Kreiß und fuhr anschließend mit der Befragung von Prof. Dr. Martin Schwab, einem Rechtswissenschaftler fort.

Prof. Kreiß erwähnte dann noch Beispiele, was man ökonomisch machen könnte, um etwas positiv zu bewirken, nachdem so viel Negatives auf den Tisch gekommen war. Vogelgrippe, Schweinegrippe, Corona, hätten alle etwas mit Tieren zu tun. Es wäre fast, als ob etwas zu uns zurück käme, was wir den Tieren in der modernen Massentierhaltung und -schlachtung antun. Deshalb sollte man einen Lockdown der unmenschlichen Großlandwirtschaft in Erwägung ziehen. Man sollte zurückkehren zu einer “überschaubaren” Hofgröße und einem natürlicheren Maß. Das gleiche gelte für die Pestizid-Landwirtschaft. Es wäre absurd zu behaupten, ökologische Landwirtschaft wäre zu teuer, wenn man sieht, dass die Bundesregierung nun, mit allen abgegebenen Garantien, bereits über eine Billion Euro ausgegeben hat.

Seit den 1980er Jahr gäbe es Wirtschaftsmodelle, die darauf aufbauen, dass Ökonomie in einem vernünftigen Maß betrieben wird, nicht zu groß und nicht zu klein. Man müsse zu einer “Wirtschaft des menschlichen Maßes” kommen. Die wäre dann auch mit Demokratie wieder vereinbar.

Dr. Wodarg wies darauf hin, dass das derzeitige Wirtschaftssystem auf einem geförderten Egoismus bestehe. Dabei ist die Wirtschaft der Teil eines Organismus. Und wenn ein Teil des Organismus beginnt, die anderen Teile aufzufressen und zu verdauen, kann der Organismus nicht überleben. Deshalb müsse man diesen Egoismus streng reglementieren. Die Frage wäre, ob man heute noch in der Lage ist, einen globalisierten Egoismus wieder in seine menschlichen Schranken zu verweisen. Es gäbe eine globalisierte Wirtschaft, aber keine globalisierte Kontrolle dieser Wirtschaft.

Prof. Dr. Martin Schwab

Prof. Schwab hat in Bielefeld eine Professur für bürgerliches Recht / Verfahrensrecht und Unternehmensrecht. Er arbeite auch im Grenzbereich zwischen Zivilrecht und Öffentlichem Recht. Er hat einige Lehrbücher, Artikel und Kommentare in der juristischen Fachliteratur verfasst.

Seit die Corona-Krise begann hätte er sich aber sehr stark konzentriert auf Fragen, die sich mit dieser Krise beschäftigen. Er würde insbesondere drei Fragekreisen nachgehen. “Ein Staat, der seinen Unternehmern verbietet Geld zu verdienen, muss ihnen sagen, wo es stattdessen herkommen soll.”  Er würde aber auch presserechtlichen Fragen nachgehen, weil Menschen, welche Einwände gegen Regierungsentscheidungen vortragen, sofort als “Verschwörungstheoretiker” diskreditiert werden.

Da stellt sich mir die Frage, wo der Boden der geistigen Auseinandersetzung endet und die rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beginnt.”

Der dritte Fragenkreis wäre, wie man mit von Quarantäne Betroffenen umgehe. Man nehme die Menschen dort als Gefahrenquelle wahr, aber sind sie nicht auch Schutzsubjekt? Was mache man mit Menschen, die nun ihre Miete nicht bezahlen können, oder kein Geld haben, um sich einen Anwalt zu nehmen. Was mache man mit dem Bauern, der seine Gurken unterpflügen muss, weil er sie wegen den Maßnahmen der Regierung nicht ernten konnte.

Prof. Schwab erklärte, dass er viel langsamer in seinen Forschungen vorankommen würde, weil er auch ständig neue Hintergrundinformationen verarbeiten müsse, was die medizinischen Grundfragen anbelangt. Auch wenn er sie nur beschränkt beurteilen kann, müsse er sich damit beschäftigen, wenn er sich seriös zu den juristischen Folgefragen äußern will.

Dr. Füllmich wies dann noch einmal darauf hin, welche Folgen solche Begriffe wie “Covidioten” aus den Regierungsparteien hatten, nämlich eine Diskreditierung aller Menschen die Fragen stellten hinsichtlich der Regierungsmaßnahmen.

Prof. Schwab vertrat die Auffassung, dass der Begriff “Covidiot” eine strafbare Beleidigung darstellt. Darin enthalten wäre das Wort Idiot, weshalb man nicht lange darüber diskutieren müsse. “Ich selber muss immer damit rechnen, wenn ich etwas publiziere, dass irgendein Gericht oder eine andere Autorin sagt ‘was der Schwab da sagt ist völliger Käse, und zwar aus den und den Gründen’. So lange die Auseinandersetzung in der Sache gesucht wird, ist das alles völlig unbedenklich. Sobald man aber das Gefühl hat, dass die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, ist die Grenze zur widerrechtlichen Persönlichkeitsrechtsverletzung überschritten.

Dann erklärte er, dass selbst die Behauptung einer “Verschwörung” nicht grundsätzlich etwas Weltfremdes wäre, denn die Justiz würde einen großen Teil der Zeit darauf verwenden, genau solche Dinge aufzuklären. Allerdings wäre der Begriff bewusst negativ konnotiert worden, um Menschen zu Spinnern erklären zu können. Abgesehen davon hätte es nichts mit “Verschwörungstheorie” zu tun, wenn man der Politik Einwände und rechtliche Begründung gegen die Maßnahmen erklärt. In einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft, so führte er aus, gelte … “In dem Moment, wenn ich jemandem das Recht abspreche, an dem Diskurs teilzunehmen, habe ich sein Persönlichkeitsrecht verletzt.”

Dr. Füllmich fragte dann, ob es jemals vorher eine solche Situation gegeben hätte, dass Wissenschaftler von der Diskussion ausgeschlossen wurden, welche eine von der Regierung abweichende Meinung vertraten, ob es juristische Präzedenzfälle gäbe.

Prof. Schwab antwortete, das was er gefunden hätte, wären Fälle gewesen, in denen Menschen in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt wurden. Da ging es aber immer um die politische Meinungsäußerung. “Dass wissenschaftliche Einschätzungen, sei es rechtswissenschaftliche oder medizinische oder soziologische, psychologische … man kann ja die Corona-Thematik von ganz unterschiedlichen Sachdisziplinen her beleuchten, … dass wissenschaftliche Einschätzungen in der Weise herabgewürdigt worden wären, da habe ich kein einschlägiges Material in der Rechtsprechung dazu gefunden.”

Nach einer Zusammenfassung von Ergebnissen der vorhergehenden Diskussion wies Dr. Füllmich darauf hin, dass der ehemalige Verfassungsrichter Papier bereits angedeutet hat, dass er die Maßnahmen für grundgesetzwidrig halte, Prof. Kingreen aus Regensburg hätte in einem Gutachten festgestellt, dass wahrscheinlich die epidemische Lage nationaler Tragweite nie bestanden hat, mindestens aber seit dem 10. Juni nicht mehr bestehen würde, weil eine Überforderung der Krankenhäuser nie zur Debatte stand. Dann, so Füllmich, gäbe es noch Prof. Vosgerau der fordere, dass die Menschen, welche durch die Maßnahmen der Regierung geschädigt wurden, nun Schadenersatz erhalten müssten.

Dann führte er aus, dass in dem Ausschuss die Tendenz bestehe, die PCR-Tests, bzw. ihren Missbrauch, als Ursprung für alle folgenden Probleme anzusehen. Da die Tests keine Infektionen nachweisen können, das aber behauptet wurde und teilweise noch werde, führte zu einer Fehleinschätzung der Politik, die ihrerseits wiederum den Fehler machte, sich nur einseitig zu informieren und beraten zu lassen. Er fragte dann, wie Prof. Schwab die Chancen auf einen Schadenersatzanspruch einschätze.

Dieser antwortete, dass er sich dem Thema über das gewerbliche Mietrecht angenähert hätte, indem er der Frage nachgegangen war, wie rechtlich die Frage zu bewerten wäre, was passiere, wenn ein Unternehmer gezwungen werde, sein Unternehmen zu schließen. Er hatte sich die Frage gestellt, ob in einem solchen Fall der Mieter weiter die Miete schulden würde.

Dann erklärte er, dass der Gesetzgeber Ende März 2020 ein Gesetz eingebracht hätte, “zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-Pandemie“. Darin enthalten wäre eine Einschränkung des Rechts des Vermieters zur Zahlungsverzugskündigung.  Aber in der Begründung des Gesetzes stehe drin, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Miete bestehen bleibe. Nun gäbe es Versuche, über “Wegfall der Geschäftsgrundlage” oder andere juristische Begründungen wie “Unmöglichkeit der Leistung“, diese Verpflichtung zur Mietzahlung auszuhebeln oder zu einer Reduzierung der Miete zu kommen.

Seine Vermutung war, dass der Gesetzgeber die Vermieter absichtlich nicht an der Krise beteiligte. Die Situation wäre ähnlich wie bei Mietpreisgrenzen. Mietpreisgrenzen, die den Vermieter in die systematische Unterdeckung seines Objektes treiben sind verfassungswidrige Einschränkungen des Eigentumsgrundrechts. Das wäre durch Urteile des Verfassungsgerichts gesichert.

Das heißt, auf der Vermieterseite gibt es schon eine Menge Rechtsprechung, die einen Entschädigungsanspruch begründe. So wäre die Politik wohl zu dem Schluss gekommen, dass man zwar die Gewerbetreibenden in ihrem Eigentumsrecht einschränken könne, weil es hier noch keine Urteile gibt, nicht aber die Vermieter. Das wäre aber nach Meinung von Prof. Schwab rechtlich nicht haltbar.

Man müsse Gewerbetreibende und Soloselbständige in der juristischen Betrachtung trennen. Gewerbetreibende hätten sehr wohl auch ein Grundrecht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Auch das wäre Eigentum im Sinne von Grundgesetz Artikel 14. Wenn der Gesetzgeber dem Gewerbetreibenden verbietet, mit seinem Gewerbe Geld zu verdienen, ohne dass der Gewerbetreibende irgendeinen Einfluss auf die Entscheidung hatte, treibt man nun den Gewerbetreibenden in die systematische Unterdeckung.

Der Staat hat die Schulden, die dadurch auflaufen, dass ich keine Einnahmen habe (…) die hat er dann gefälligst selber zu übernehmen.” Es wäre nicht einsehbar, dass das Recht mit Immobilien Geld zu verdienen einen höheren Schutz genießen sollte als das Recht mit einem Gewerbe Geld zu verdienen.

Die Tatsache, dass die Schulden abgedeckt werden, hieße aber nicht, dass der Unternehmer noch im Supermarkt Lebensmittel einkaufen könne oder die eigene Wohnungsmiete bezahlen kann. Das Grundrecht auf Eigentum sieht vor, dass der Gesetzgeber Eingriffe in das Eigentum vornehmen kann, aber nur, wenn er einen Ausgleich dafür bezahlt. Die Frage, die sich stelle wäre, ob sich dieses Recht auch außerhalb des Eigentumsrechts anwenden lasse.

D.h. wenn ich eine Arbeit nicht mehr verrichten darf, weil der Gesetzgeber mir das verbietet, wird er dann nicht schadenersatzpflichtig? Es gehe also um Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit. Es handelt sich im Prinzip um ein temporäres Berufsverbot.

Prof. Schwab ist nun der Meinung, dass der Staat, der von Gewerbetreibenden Steuern einfordert, der verlange, dass der Gewerbetreibende seinen Beitrag leistet zum Erhalt des Staates, der muss in Notzeiten seinerseits seine Unternehmer tragen. Insbesondere wenn er selbst verursachte, dass die Unternehmer in die Notsituation gerieten. Das könne natürlich keine 100%ige Abdeckung der üblichen Kennzahlen sein. Aber mindestens müsste ein Unternehmerlohn in Höhe der pfändungsfreien Grenze gerechtfertigt sein.

Es wäre unverantwortlich, solche Unternehmer auf HarzIV zu verweisen, weil das Arbeitslosengeld 2 dazu dienen sollte, Risiken abzudecken, die sich aus dem Arbeitsmarkt ergeben. Nicht aber Risiken, die sich aus Maßnahmen der Regierung ergeben.

Dann kam er zu den Soloselbständigen. Natürlich hätten diese ebenfalls einen Anspruch darauf, dass sie eine Art “Grundeinkommen” bekämen, und ohne dass dies von Regularien der Hartz IV Bedingungen abhängen dürfe. Denn es handele sich um eine, wie er meinte, ausgleichspflichtige Beschränkung der Berufsfreiheit.

Diese Regelungen wären anzuwenden für den Zeitraum, in dem man den Politikern noch keinen Vorwurf machen konnte, das Risiko falsch eingeschätzt zu haben. “Die Frage ist: ‘Können wir von einem Zeitpunkt reden, ab dem wir von Verschulden reden?'”

Als Jurist ging er nun in seiner Betrachtung davon aus, dass es gelänge, die Annahmen, welche diese Politik der Bundesregierung fachlich begründen, zu entkräften. Er unterstellte in den folgenden Ausführungen, dass es gelingt, die Annahme zu entkräften, dass die Bevölkerung keine Grundimmunität hat, dass man das Virus ohne Symptome weitergeben kann. Er unterstellte, dass das Infektionsgeschehen anhand von “ungeeigneten Beweismitteln” identifiziert wurde, dass die PCR-Tests also keine Erkrankungen nachweisen.

So komme er zu Paragraph 839 BGB, Schadenersatzpflicht des Beamten, aber über Artikel 34 Grundgesetz wird es zur Schadensersatzpflicht des Staates für amtspflichtwidriges Verhalten. “Wenn ich Freiheitsbeschränkungen verordne auf der Grundlage einer fachlich unzureichend begründeten Politik, dann kann ich das relativ schnell als Verletzung einer Amtspflicht dartun.”  Und wer die Amtspflicht verletzt hätte, wären jene gewesen, welche die Politik zu verantworten hatten. Sicher auch jene, welche als Institution diesen Politikern zugearbeitet haben. So wäre auch das Robert-Koch-Institut dem Staat zuzurechnen.

Die entscheidende Frage wäre, ob man ein Verschulden auf der Seite der politischen Akteure feststellen könne. Prof. Schwab meinte, dass dies am Anfang der Krise vermutlich nicht der Fall gewesen wäre, weil man damals vor einer neuen, unklaren Situation gestanden hätte. Aber, so Schwab, “ab wann kam der Zeitpunkt an dem man hätte nachdenken müssen?”

Er ist der Meinung, dass es mehrere Zeitpunkte gäbe, die einen solchen Zeitpunkt definieren könnten. Er wies darauf hin, dass die Reproduktionszahl im März unter 1 sank und dort blieb. Und es hätte Fachleute gegeben, die darauf hinwiesen, dass die Maßnahmen der Bundesregierung keinen messbaren Einfluss auf die “Infektionszahlen” hatten.

Wenn man jetzt mal daneben legt, wie die Zahl der Testungen ausgeweitet wurde, das ist nämlich gerade zwischen dem 9. Und 16. März, da hat man die Testkapazitäten dramatisch hochgefahren, man hat also mehr getestet und mehr Fälle gefunden.” Und auch in regierungsfreundlichen Beiträgen hätte man lesen können, dass dies auf eine große Dunkelziffer hindeuten würde. Das hieße, dass das Virus schon früher deutlich aktiver gewesen wäre. Und obwohl man immer mehr getestet hatte, fand man immer weniger. Der Professor Stefan Homburg wäre in den Medien heftig dafür angegriffen worden, auf diese statistische Tatsache deutlich hinzuweisen.

An dieser Stelle hätte die Politik spätestens reagieren müssen. An dieser Stelle hätte die Regierung den ergebnisoffenen wissenschaftlichen Diskurs suchen müssen, mit These, Antithese und Synthese. “Wenn am Ende eines solchen Diskurses die Erkenntnis stehen sollte, dass wir diese Freiheitseinschränkungen gar nicht gebraucht hätten, dann wird man sagen müssen: ‘hättet ihr diesen Diskurs früher angestoßen, wären wir früher in der Krisenbewältigung wesentlich weiter gewesen’…

Dann wird man sagen müssen, so Prof. Schwab, es hätte der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entsprochen, ein System zur wissenschaftsbasierten Risikobewertung aufzulegen. Das wäre zu Beginn vielleicht noch nicht möglich gewesen, aber zu diesem Zeitpunkt sicher notwendig geworden. Das wäre Mitte April 2020 gewesen.

Eine zweite Möglichkeit, nachzudenken, hätte sich am 11. Mai geboten, als ein inzwischen suspendierter Mitarbeiter der Regierung ein so genanntes Fehlalarmpapier erstellte. Darin hatte er aufgelistet, welchen Preis die Gesellschaft insgesamt für diese Maßnahmen zahlen wird. Auch zu diesem Zeitpunkt hätte sich die Möglichkeit ergeben zu überprüfen, ob die Maßnahmen noch durch die Umstände getragen werden. Insbesondere hätte die Möglichkeit bestanden, nicht nur die “Gesundheitsseite” sondern die Seite der Kollateralschäden zu beleuchten. Diese Seite der Kollateralschäden sieht Prof. Schwab auch heute noch in der medialen Diskussion viel zu wenig abgebildet.

In der israelischen Zeitung Haaretz wäre ein instruktiver Artikel einer interdisziplinär besetzten Forschergruppe um Nobelpreisträger Michael Lewis veröffentlicht worden. Dort wäre festgestellt worden, dass der Lockdown am Ende die Menschen töte, die er schützen soll.

Deshalb gehe er, Prof. Schwab davon aus, dass das Verschulden des Staates ab einem bestimmten Zeitpunkt definiert werden könnte. Nach diesem Zeitpunkt würde dann nicht mehr das Existenzminimum abzudecken sein, sondern das übliche entgangene Einkommen der Menschen, die durch die Maßnahmen der Regierung geschädigt wurden.

Allerdings gäbe es “Pferdefüße”, einer davon wäre Paragraph 839 Abs. 3 BGB. “Die Schadenersatzpflicht ist nicht gegeben, wenn der Schaden durch das Ergreifen von Primärrechtsbehelfen hätte abgewendet werden können.” Prof. Schwab meinte kommen zu sehen, dass Bund und Länder sich mit folgendem Einwand verteidigen werden: “Liebe Gewerbetreibende, ihr hattet doch die Chance, mit Einstweiliger Anordnung gegen die Geschäftsschließung vorzugehen. Warum habt ihr das nicht gemacht?

Um diesem Einwand zu begegnen, müsse man sich dann etwas einfallen lassen. Eine Begründung wäre, dass keine Mittel für eine anwaltliche Hilfe vorhanden waren, weil man keine Einnahmen hatte. Ohne diese Beratung wäre aber eine solche komplexe Fragestellung nicht beantwortbar gewesen. Außerdem wird man auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte verweisen können, denn kein Verwaltungsgericht hatte es gewagt, überhaupt die Kenndaten und die Risikobewertung des Robert-Koch-Institutes in Frage zu stellen. D.h. es war erkennbar, dass Rechtsmittel einzulegen sinnlos war, da bis auf Randbereiche, Gerichte keine Korrekturen ermöglichten.

Eine andere Frage, so Prof. Schwab, war, welcher Anwalt überhaupt bereit gewesen wäre, ein solches Mandat zu übernehmen, weil es zu dieser allgemeinen Stigmatisierung von Kritikern der Regierungsmaßnahmen gekommen war.

Prof. Schwab ist also der Meinung, dass Unternehmer und Soloselbständige einen Rechtsanspruch auf Lebensunterhalt hätten, und sogar auf einen vollen Ersatz ihrer Einnahmeausfälle von dem Zeitpunkt an, da ein Verschulden der Regierenden festgestellt werden kann.

Natürlich könne ein Gericht eine abweichende Meinung vertreten. Er nannte als Beispiel eine unzulässige Preiserhöhungsklausel eines großen Autoherstellers, die klar rechtlich untragbar war, und dann auch beim BGH gekippt wurde. “Nun befürchtete Daimler Benz eine Rückzahlung in Höhe von 800 Millionen, damals noch DM an die Kunden.” Natürlich wären sofort die Klagen eingereicht worden. Und wenige Jahre später war der BGH wieder mit der Frage konfrontiert worden, und dann sagte der “naja, redliche Parteien hätten in dieser Situation ein Rücktrittsrecht vereinbart, aber es gibt doch jetzt nicht etwa Geld zurück.” Originalton Prof. Schwab: “Die hatten Angst, ein großes Unternehmen mit millionenschweren Rückforderungen zu belasten“.

Aus diesem Grund befürchtete er in dem Interview, dass Gerichte hingehen könnten, und mit Hinweis auf eine staatliche Überforderung, Inflationsgefahr usw., unter Aussetzen dieser Rechtsnorm eine politische Entscheidung fällen könnten.

Diejenigen, welche die Maßnahmen, die zu der Situation führten, zu verantworten haben, und jene, die über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen entscheiden, werden vom Staat alimentiert und werden, so lange den Schadenersatzforderungen nicht stattgegeben wird, nur wenig von der Krise betroffen sein. Er wies aber darauf hin, dass die gesamte Bevölkerung ökonomisch durch die Krise betroffen sein würde, also auch die Gruppe, welche durch den Staat bezahlt wird, wenn durch Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe eine Hyperinflation verursacht wird. Deshalb würde der Faktor Mensch eine Rolle spielen, den man auch bei der Gerichtsbarkeit immer einkalkulieren müsse.

Dr. Füllmich warf ein, dass man bei Wirecard gesehen hätte, dass Politik und Justiz vollkommen “falsch gelegen” hätten. Gegen das bayrische Unternehmen, das seit 2017 hoch umstritten war, hätte von der bayerischen Staatsanwaltschaft ermittelt werden müssen. Aber die Staatsanwälte ermitteln gegen diejenigen, welche die Fakten gegen die Firma aufdeckten.

Prof. Schwab bestätigte im Prinzip, dass die Gerichte Hemmungen haben, gegen die eigenen “Dienstherren” vorzugehen, und dass die Unabhängigkeit der Richter de facto nur auf dem Papier stehe. 

Er fragte, warum Richter zum Beispiel nie die Relation zwischen Anzahl von Tests und positiven Ergebnissen hinterfragt hätten, sondern einfach die Argumentation des Robert-Koch-Institutes übernommen hätten, nach denen “die Fallzahlen gestiegen sind“. Ebenso hätte man die Größe der Viren in Bezug zu den (Alltags)Masken setzen müssen. Diplomatisch erklärte er “…da wäre mir etwas mehr kritische Distanz zum Handeln der Regierenden lieber gewesen.

Viviane Fischer wies darauf hin, dass sie von einer Klage wisse, die in über 250 Seiten alle Aspekte beleuchtet hätte, warum die Angaben des RKI nicht mit den tatsächlichen Daten des Instituts in Einklang stünden, trotzdem wäre die Klage im Eilverfahren abgewiesen worden. Das wäre ein Nichtbeachten des Amtsermittlungsgrundsatzes.

Prof. Schwab, direkt dazu befragt, sagte dazu, dass diese Pflicht von der Rechtschutzform abhängen würde. Im Hauptverfahren gäbe es da eine größere Verpflichtung als im Eilrechtschutz. Ein Gesetz bestehe immer aus Tatbestand und Rechtsfolge. § 28 IfSG (er liest Text vor) stellt Infizierte, Kranke, Ansteckungsverdächtige fest. Aber der Tatbestand darf nicht der beliebigen Einschätzung einer Behörde überlassen bleiben, sondern unterliege der vollen richterlichen Kontrolle. “Ob hier Ansteckungsverdächtige oder Kranke festgestellt worden sind, unterliegt der richterlichen Kontrolle“. D.h. das Gericht kann nicht einfach sagen, dass es sich auf die Aussagen des Robert-Koch-Institutes beruft, sondern muss sich selbst um eine Feststellung kümmern.

Allerdings komme es auf den anwaltlichen Text an, mit dem das Gericht angesprochen werde, ob daraus für das Gericht eine Pflicht entsteht, den Tatbestand selbst zu ermitteln. Dann wies er darauf hin, dass bei einer falsch positiven Rate von 1 Prozent in den von ihm eingesehenen RKI-Daten, dies mit der Zahl der positiven Ergebnissen des PCR-Tests übereinstimmten. Selbst wenn man die falsch negativen Ergebnisse davon abzieht, ergäbe sich ein Bild, was von den Gerichten niemals gesehen wurde. Aber er könne die Situation nicht abschließend beurteilen, weil in Eilverfahren dieser Amtsermittlungsgrundsatz nur zum Tragen komme, wenn er durch eine entsprechende Forderung im Schriftsatz des Anwalts ausgelöst werde.

Auf den Hinweis von Viviane Fischer, dass die Gerichte auch keine regionale Tatbestandsmerkmalsfeststellung trafen, bestätigte Prof. Schwab, dass dies notwendig wäre.

Dr. Füllmich wies darauf hin, dass Hauptverhandlungen, in denen Tatbestände dann mit Hilfe von Gutachtern ermittelt werden, über mehrere Jahre dauern, während in der Zwischenzeit Tatsachen, nämlich Insolvenzen und Existenzvernichtungen, realisiert werden. Während in Eilanträgen die Gerichte, wie man in der Vergangenheit sehen konnte, sich auf Aussagen von Regierungsinstitutionen zurückziehen, statt selbst in die Tatsachenermittlung einzutreten.

Dr. Wodarg warf ein, dass möglicherweise die Widerspruchsmöglichkeit gegen Maßnahmen von Behörden, bevor es zu einer Klage komme, nicht ausreichend genutzt werden würden. Worauf Prof. Schwab darauf hinwies, dass in vielen Bundesländern die Einspruchsmöglichkeiten eingeschränkt worden wären, und die Menschen sofort zu Gericht geschickt würden.

Dann ging er auf die Frage ein, was man tun könne, um schnell zum Beispiel Unterhalt zu erreichen. “Wenn es um Hilfe für Lebensunterhalt geht, dann kann man sich schon überlegen, ob man via Einstweiliger Verfügung wenigstens mal so eine Mindestsumme, die man unbedingt zum Überleben braucht, einklagen kann.” Dazu müssten aber die Gerichte bereit sein, grundsätzlich zu sagen, dass der Staat den Menschen verboten hat, Geld zu verdienen, und dass der Staat deshalb Ersatz leisten muss.

Dann ging er auf die Idee ein, in den USA zu klagen. Dort gäbe es auch eine “Sachverhaltsermittlung” neben der Sammelklage, die es in Deutschland noch nicht gibt. Der Vorteil eines Vorgehens in den USA könnte sein, dass eine Drohkulisse aufgebaut wird. Prof. Schwab meinte, dass wenn ein US-Gericht hinginge und erklären würde, sich den wissenschaftlichen Grundlagen der Corona-Politik zuwenden zu wollen, also ob es schon Grundimmunität, Kreuzimmunität gäbe, was sagen die PCR-Tests wirklich aus, gibt es überhaupt asymptomatische Infektionen, dann gäbe es für Menschen in Deutschland, die sich einer solchen Klage anschließen, den Vorteil, dass sich ein US-Gericht nicht “krampfhaft” an den Aussagen einer deutschen Behörde klammern werde. Da der Diskurs in Deutschland nicht stattfindet, könnte so der Diskurs in den USA erzwungen werden.

Auch wenn die deutschen Behörden dann sagen könnten, dass sie schon dafür sorgen würden, dass ein Urteil der US-Gerichte in Deutschland nicht vollstreckbar werden, würde Druck aufgebaut, der zu Veränderungen in Deutschland führen könnte.

Wie es weiter geht

Weiter geht es in der nächsten Woche mit Sitzung 14 und dem Thema “Der Rechtsstaat und die Berliner Demonstrationen“.

Quellen

  1. https://youtu.be/ODCCjbbo2ik
  2. Das Buch kann als PDF kostenlos von der Homepage von Prof. Kreiß heruntergeladen werden. https://menschengerechtewirtschaft.de/wp-content/uploads/2020/08/Buch-Gekaufte-Wissenschaft-pdf.pdf

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Danke an den Autoren für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle:  ©OvalMedia

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