Charles Chaplin und die „Zweite Front“

Von Herman Ploppa.

Prominente wie Xavier Naidoo oder Ken Jebsen, um nur zwei Beispiele herauszugreifen, werden genau in dem Augenblick von Rufmordkampagnen getroffen, wenn sie Dinge sagen, die nicht in das Konzept und die Agenda der Mächtigen hineinpassen.

Die Methode Rufmord hat eine lange Tradition. Sie macht auch vor absoluten Superstars wie Charles Chaplin nicht halt. Als Chaplin auf die Untätigkeit der Westmächte im Zweiten Weltkrieg im Kampf gegen das Naziregime aufmerksam zu machen sich erdreistet, ist seine Karriere schlagartig beendet und ihm werden erfundene Delikte angehängt. Chaplin wagte es, die Ernsthaftigkeit der Anstrengungen der Westmächte im Zweiten Weltkrieg in Frage zu stellen – wo blieb die „Zweite Front“, nämlich die Front im Westen? Tatsächlich begann der Angriff der Westmächte nämlich erst gut zwei Jahre später. Als die Sowjetunion im Alleingang das Nazireich besiegt hatte, und jetzt ungehindert die Wehrmacht westwärts vor sich her trieb. Worum ging es bei der gloriosen Invasion im Jahre 1944? Möglicherweise ging es darum, die Kriegsbeute vor den Sowjets zu retten?

Am 22.07.1942 veranstaltete der CIO (Council of Industrial Organizations) zusammen mit kirchlichen, studentischen Organisationen und Veteranenverbänden eine Kundgebung im New Yorker Madison Square Park.

Zu diesem Anlass hielt Charles Chaplin von Beverly Hills aus eine Telefon-Ansprache an die Demonstranten. Eindringlich appellierte er an die Regierungen der USA und GB, sofort eine zweite Front im Westen aufzumachen, da die Wehrmacht 35 Kilometer vor den Ölfeldern im Kaukasus stehe. Wenn diese in die Hände der Nazis fielen, sei praktisch die Ölversorgung der SU verloren. Währenddessen warteten die westalliierten Soldaten in Irland auf ihren Einsatz: „Wir hören davon, daß große Truppenmassen in Nordirland zusammengezogen werden, daß fünfundneunzig Prozent unserer Geleitzüge heil in Europa eintreffen, daß zwei Millionen Engländer voll ausgerüstet und bereit sind, eingesetzt zu werden. Worauf warten wir denn noch, da die Situation in Rußland derart verzweifelt ist?“ (S.420)

„Wenn Rußland den Kaukasus verlieren sollte, dann wäre das für die Sache der Verbündeten die größte Katastrophe. Dann werden wir auf die Beschwichtigungspolitiker achten müssen, denn sie werden aus ihren Verstecken hervorgekrochen kommen. Sie werden mit einem siegreichen Hitler Frieden machen wollen. Sie werden sagen: ,Es hat keinen Sinn, das Leben einer noch größeren Zahl von Amerikanern zu opfern – wir können mit Hitler “ein gutes Geschäft” machen.“ (S.421)

Folge dieser mutigen Sätze: faschistische Organisationen hetzen Chaplin eine Frau namens Joan Berry auf den Hals. Diese strengt eine Vaterschaftsklage gegen Chaplin an. Obwohl ein Bluttest negativ verläuft, wird Chaplin vom General Attorney angeklagt aufgrund des ,Mann Act’. In erster Instanz unschuldig, zweite Instanz schuldig. Die American Legion erpresst die Kinos der USA, den Film trotz guter Besucherzahlen aus dem Programm zu nehmen. Zuvor hatte bereits eine Hollywood-eigene Zensurbehörde, das ,Breen Office’ (gehört zur selbsternannten ,Legion of Decency’) ,Monsieur Verdoux’ abgelehnt. Erst nachdem Chaplin die gewünschten Änderungen vorgenommen hatte, wurde der Film freigegeben.

Als Chaplin 1953 (?) eine Europa-Reise machen will, braucht er ein „Re-Entry-Permit“, um wieder in die USA einreisen zu können. Etliche Male wird er von der Einreisebehörde verhört. Man will klären, ob Chaplin wirklich Chaplin heißt, oder ob er nicht vielmehr ein Jude aus Galizien sei. Kaum ist er auf dem Schiff nach Europa, da wird ihm jeder weitere Aufenthalt in den USA untersagt. Durch Intrigen wird seine Filmfirma United Artists beinahe an die Wand gefahren.

Die Luce-Presse („Time“) zerreißt Chaplins Film ,Limelight’ (Chaplins Filmkomödie von 1952) in der Luft. Hier verlor Chaplin viel Geld. Chaplin verwahrt sich gegen den möglichen Eindruck, seine Erinnerungen seien eine Art Selbstrechtfertigung:

„Diese Erklärung ist keine Entschuldigung. Als ich begann, dieses Buch zu schreiben, fragte ich mich, warum ich es täte. Es gibt viele Gründe dafür, aber der Wunsch, mich zu rechtfertigen, ist nicht darunter. Wenn ich meine Lage zusammenfassen soll, dann müßte ich sagen, daß ich mir in einer Atmosphäre mächtiger Cliquen und unsichtbarer Regierungen die Feindschaft einer Nation zugezogen und unglücklicherweise die Zuneigung der amerikanischen Öffentlichkeit verloren habe.“ (S.477)

Warum so demütig? Die amerikanische Öffentlichkeit ist doch massiv daran gehindert worden, sich zu dem Thema zu äußern!

Was lernen wir daraus? Selbst 1964 ist der Druck auf Chaplin und den Verlag noch so groß, dass Chaplin defensiv argumentiert. Personen, Jahreszahlen und andere Daten sind in dem Buch so schwammig gehalten, dass von den Übeltätern niemand an die Öffentlichkeit gezerrt wird, mit Ausnahme eines untersten Gliedes, nämlich Joan Berry, jene Dame, die Chaplin fälschlich beschuldigt hatte.

Auszüge aus der Telefonansprache zitiert aus: “Aus Charles Chaplin: Geschichte meines Lebens” (Frankfurt/Main 2003)

Buchtipp, der oben geschilderte Tatbestand aus sowjetischer Sicht: Valentin Falin: Zweite Front – Die Interessenkonflikte in der Anti-Hitler-Koalition. München 1997

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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