Tiefer Staat hinter der Fassade der Demokratie. Berichte über den Staat im Staate – Eine Buchempfehlung: Ulrich Mies und Jens Wernicke (Hrsg.) Fassadendemokratie und Tiefer Staat
von Bernhard Trautvetter.
Der Musik-Rebell und genaue Beobachter Frank Zappa brachte es auf den Punkt: “Politik ist die Unterhaltungsabteilung des Militärisch-industriellen Komplexes!”
Eine andere Variante des Zitats, die man im Netz findet, lautet: „Regierung ist die Unterhaltungsabteilung der Industrie.“[1]
Die Herrschenden manipulieren uns mit immer perfekteren Methoden. Bücher wie “Fassadendemokratie oder Tiefer Staat” von Ulrich Mies und Jens Wernicke sind hier ein Gegengift gegen die Lähmung, die die Herrschenden in unseren Gehirnen auslösen wollen. In diesem Buch erhalten interessierte Leser/innen Einblicke in aktuelle und konkrete Formen der Macht-Ausübung, zu der auch deren Verschleierung gehört. Die Zusammenstellung von Texten wichtiger Kritiker gibt zeithistorisch unverzichtbare Einsichten in Machtverhältnisse, um die jede/r wissen muss, wenn wir Position beziehen und aktiv eingreifen (wollen).
Der Begriff “Fassadendemokratie” besagt, dass die wahren Entscheidungen hinter dem Schleier dessen erfolgen, was die Öffentlichkeit vor dem Vorhang der Verschleierung dargeboten bekommt.
Das oft aus dem Ohnmachtsgefühl heraus geäußerte Gefühl, dass die Herrschenden ein abgekartetes Spiel treiben, wird hier erhellend mit Fakten versehen, sodass die Gegenkräfte für ihre Aufklärung und für ihren Widerstand ein Schatztruhe von Ansatzpunkten finden.
Der “Tiefe Staat” als der im Verborgen operierende eigentliche Staat im Staat ist vom Bild hilfreich dafür, sich ein Bild zu machen. Den spezifischen Charakter dieser Gesellschaft mit den Klassen, die in ihr aufeinanderprallen, trifft der analytischere Begriff „Staatsmonopolistischer Kapitalismus“ inhaltlich präziser. Er besagt: „Die objektiv wachsende Rolle des Staates im Reproduktionsprozess ist … in unserer realen gesellschaftlichen Praxis verbunden mit einem Abbau der Demokratie. Die Handlungsfreiheit der Regierungen und aller gesellschaftlichen Kräfte werden durch scheinbar objektive Zwänge der Wirtschaft immer mehr eingeengt. Die Bundeskanzlerin hat hierfür das Argument der „Alternativlosigkeit“ geprägt. Dies…reflektiert … nichts anderes als den objektiven Widerspruch zwischen Privateigentum und Demokratie. Je umfangreicher und stärker privates Eigentum wird, desto formaler und hohler wird die bürgerliche Demokratie.“[2]
Wie das konkret aussieht, dazu sagt die Textsammlung zur Fassadendemokratie sehr viel Beunruhigendes.
In der Einleitung erfahren wir erst einmal, dass der Begriff “Tiefer Staat” ursprünglich aus der Türkei stammt, um die politischen Verhältnisse unter der Militärdiktatur zu kennzeichnen. Das trifft zu, denn der US-Botschafter in der Türkei schrieb 2002: “… das, was Türken als ‚tiefen Staat‘ bezeichnen, die informelle, paragerichtliche Regierungsführung” sei auf ein weit ausgedehntes Verständnis von nationaler Sicherheit bezogen, wie die im Juli 2016 verbotene Zeitung Taraf am 15.05.2012 schrieb[3]. Der US-Botschafter hat hier selber schon den kriminellen Charakter des ‚Tiefen Staates‘ klar. Der ehemalige CIA-Chef Hayden bezeichnete den ‚Deep State‘ als permanente Regierung.
Bernd Hamm sieht in seinem Textbeitrag “Das Ende der Demokratie … wie wir sie kennen” in der ‚globalen Geldelite‘ das Zentrum des ‚Deep State‘, dann sieht er den Kreis von Managern transnationaler Konzerne, dann die wichtigsten Politiker und Berater und schließlich die Medien- und Wissenschafts-Spitzen, sowie weitere Intellektuelle und schließlich Spitzenkriminelle. Sie fördern neoliberal die Besteuerung der Arbeit und die Absenkung der Unternehmenssteuern sowie der Renten und der öffentlichen Aufwendungen für Gesundheit und Bildung; De-Regulierung, Outsourcing und Privatisierungen sind hier Instrumente für den ‚Profit-Transfer ins oberste Klassensegment‘. Dieser >Klassenkampf von oben<, der nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Fahrt aufnahm, wird von einer Angstpropaganda unter dem Stichwort ‚Strategie der Spannungen‘ begleitet, die dann am besten wirkt, wenn die Menschen nur geringer gebildet sind. Bernd Hamm nennt diesen Prozess der Manipulation _Gehirnwäsche‘. Sie zielt darauf ab, die ausgebeuteten Menschen für den Krieg gegen sie selbst gefügig zu machen.
Reiner Mausfeld macht im Anschluss deutlich, dass die herrschenden Eliten Demokratie nie als solche verstehen, sondern dass sie Freiheit konsequent an Privateigentum binden. Im Resultat entsteht eine sog. ‚marktkonforme Demokratie‘, die sich der autoritär strukturierten Wirtschaft anpasst und in der die Macht der Finanzindustrie durch Geheimdienste, Militär, Medien und Sicherheits-/Überwachungskräfte abgesichert ist, um die Eigentumsordnung zu ‚schützen‘. „Parlamentswahlen spielen … in kapitalistischen Demokratien für alle grundlegenden … Entscheidungen keine Rolle…“ (Zitat Seite 47). Mausfeld hat Roosevelt als Kronzeugen, der 1912 sagte, dass hinter der offiziellen Regierung eine verborgene Regierung „thront“.
Ulrich Mies geht nun so weit, eine solche Fassadendemokratie eine „Nichtdemokratie“ zu nennen.
Jochen Krautz zeichnet nach, dass die Herrschenden es geschafft haben, bei immer mehr Menschen den Blick auf soziale Probleme und Herausforderungen durch den auf den vermeintlich eigenen Vorteil zu ersetzen. In der Bildung ersetzen dem entsprechend Managementkonzepte vermeintlicher Eigennutzmaximierung viele pädagogische Konzepte. Er spricht von einer inneren Ökonomisierung. Der Kapitalismus ergreift dabei die Dominanz über alle Verarbeitungen von Informationen.
Diese >Sozialisation< findet sogar ihre Entsprechung bei Volksvertretern, die nach Mike Lofgren wie in einer Bananenrepublik Rasterfahndungen zur Überwachung der Bevölkerung genauso durchwinken, wie sie Kriege nach außen nicht verhindern oder stoppen.
Werner Rügemer zeigt auf, wie die EU immer mehr in diesem Sinn amerikanisiert wird, was besonders deutlich, massiv und mit wachsender Geschwindigkeit seit dem Ende der Sowjetunion geschieht. Amerikanisierung heißt in den USA selbst eine möglichst weitgehende Privatisierung ursprünglich staatlicher Strukturen bis hin zur Etablierung privater „Militärdienstleister“ und einer so genannten Sicherheitsindustrie mit weit ausgereiften Ausspähtechniken.
Ernst Wolff dokumentiert, wie die Finanzelite seit dem amerikanischen Bürgerkrieg systematisch und beständig für Strukturen sorgt, die u.a. über das private Bankenkartell Federal Reserve (FED) die Interessen der Finanzelite umsetzt. Ihre Entscheidungen führten unter anderem zum Zusammenbruch des Aktienmarktes 1929, der über den sogenannten ‚Schwarzen Freitag‘ zum Zusammenbruch des Aktienmarktes und tausender Banken führte, mit katastrophalen Konsequenzen für die Weltwirtschaft, die in Deutschland den Aufstieg des Faschismus begünstigte. Nach dem 2. Weltkrieg führten die Entscheidungen und Strukturen unter anderem durch das Bretton Woods-System der Dollar-basierten westlichen Währungs-Bindungen zu einer US-Dominanz, u.a. auf Kosten des britischen Empires. Die Beendigung der damit verbundenen Goldbindung des Dollars und seiner Verbindung an das Ölgeschäft ließ Diktaturen wie die der Saudis erstarken. Nach dem Ende des Kalten Krieges spielte der Kapitalismus dann wieder ohne Rücksicht auf einen sozial erscheinenden Kompromiss-Zwang im Schönheits-Wettstreit der Systeme seine Rücksichtlosigkeit immer stärker in Form von tiefgreifenden und umfassenden Deregulierungen im Zuge der Globalisierung aus. Die Jagd nach Renditen , Finanzspekulation und der Verkauf von kreditfinanzierten Häusern an verarmende Opfer der De-Industrialisierung führte 2008 folgende zur beschönigend (nur) Weltfinanzkrise genannten Weltwirtschaftskrise.
Hermann Ploppa führt aus, wie die Amerikanisierung die Ersetzung des staatlichen Sozialsystems zugunsten einer auf Almosen ohne Recht-Anspruch aufgebauten Versorgung Bedürftiger bedeutet. Dieser Prozess macht auch vor dem Gesundheitssystem nicht Halt, wo so große Häuser wie das Klinikum Marburg, mit Gießen zwangsfusioniert für nur 112 Mio. € privatisiert wurde, was mit den Aufgaben der Medizin unvereinbar ist. In diesem Prozess der Entstaatlichung öffentlicher Aufgaben sprießen Stiftungen, die erst einmal Steuervermeidungs-Hilfen sind, und die zugleich den ‚Philanthropen‘ Macht und ein gutes Gewissen geben, auch wenn nun der grundrechtliche Schutz der körperlichen Unversehrtheit dem Profitsystem geopfert wird. Der Ausverkauf ehemaligen Volkseigentums über die nur so genannte ‚Treuhand‘ ist ein marktradikaler Ausdruck dieser Entwicklung.
Andreas Wehr zeigt auf, wie passend die Fassadendemokratie der Europäischen Union für die Legitimationspropaganda der Fassadendemokratie gebraucht wird. Ein Parlament, das z.B. kein Haushaltsrecht hat, das auch in der 2008er-Krise keinen Zugang zur Europäischen Finanzstabilisierungsinstitution EFSF hat, in dem Fraktionen nur schwache Rechte haben, bezeichnet Wehr als Scheinparlament.
Wolf Wetzel ergänzt, dass das Ziel der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung auch durch die Einbeziehung der Mafia und von Drogenkartellen durch ökonomisch Herrschende und selbst durch Regierungsmitglieder exerziert wird. Er zitiert Helmut Schmidt: >>Ich habe den Verdacht, dass sich alle Terroristen, egal, ob die Deutsche RAF,… in ihrer Menschenverachtung wenig nehmen. Sie werden übertroffen von Staatsterrorismus.<< ZEIT: >>Ist das Ihr Ernst? Wen meinen Sie?<< Schmidt: >> Belassen wir es dabei. Aber ich meine wirklich, was ich sage.<< Wetzel geht der strukturellen Begünstigung rechtsextremer Gewalt bis hin zu den NSU-Morden nach, nennt das Beihilfe zum Mord. Er bezieht dieses Vorgehen auf die propagandistisch ausgeübte >Strategie der Spannung<. Es steht in der Tradition der Nato-Strategie der frühen 50er Jahre, selbst Faschisten zu bewaffnen und einzubeziehen, um der sogenannten >roten Gefahr> zu begegnen. In diesem Zusammenhang wurden auch die Sabotage-Geheim-Strukturen der Nato unter dem Begriff ‚Stay behind‘ etabliert. Die Friedensbewegung wurde und wird ebenso als Feind angesehen, wie linke Strömungen. Zu exakt arbeitende Steuerfahnder, die sich nicht bestechen ließen, wurden in einigen beweisbaren Fällen durch Psychologisierung diskreditiert und ausgeschaltet.
Hansgeorg Hermann untersucht den nach Charly Hebdo 2015 ausgerufenen Ausnahmezustand in Frankreich, um parallele Prozesse erschließbar zu machen.
Rainer Rupp analysiert Reaktionen der ‚selbst ernannten Eliten‘ im Westen auf den Wahlsieg Trumps. Er zitiert, dass sogar das Ende der Welt gesehen wurde und wird. Die sogenannte Gefährdung der liberalen Weltordnung bringt ihn zu der Frage, was das denn sei. Er zeigt auf, dass man z.B. beim Krieg gegen den Irak in den 1990er Jahren auf eine ‚neoliberale Weltordnung von US-Gnaden‘ hin gearbeitet habe. Russland sei erst wieder zum Feind geworden, als es sich dem versagt hatte. Damit stand und steht er dem Ziel der USA als einziger Supermacht entgegen. Dieses Ziel gab nicht nur Brzezinski aus, sondern auch u.a. der Pentagon-Wissenschaftler D.S. Papp. Der schon anderweitig im Buch angesprochene Internationale Währungsfonds wird gezielt für die New World Order eingesetzt. Die Linke, beklagt Rupp, leistet dem keinen Widerstand, was Rupp u.a. mit dem neoliberalen Virus erklärt, der auch Gehirne links organisierter Kräfte vergiftet.
Der Oberstleutnant i. R. Jürgen Rose zeigt auf, wie zum Konzept des ‚Deep State‘-Ansatzes passend die Bundeswehr mit einem globalisierten Auftrag versehen wird. Er zeigt auf, wie die Propaganda ganz unverhohlen gegen die Realität steht, etwa wenn das nebulöse ‚Weißbuch‘ der Bundeswehr vom Völkerrecht faselt, während die Bundesluftwaffe im ‚Eifelstädtchen Büchel‘ den Abwurf von US-Atombomben mit ihren Tornados trainiert. Der auch gegen völkerrechtliche Vorschriften verstoßende Waffenexport steht für eine Entgrenzung der nur so genannten ‚Sicherheitspolitik‘. Rose fordert eine europäische Sicherheitspolitik einer ‚neutralen Friedensmacht‘ ohne Größenwahn mit der Maxime >Frieden schaffen mit möglichst wenigen Waffen<. Und fordert deshalb zum Misstrauen gegen die offizielle Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf.
Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Marburg Jörg Becker zeigt die Medienmacht von Großkonzernen auf, die z.B. mit ihrem Anzeigenverhalten unliebsame Berichterstattung abwenden können und das auch tun, wie er an der Telekom, Aldi und Lidl usw. aufzeigt. Die öffentliche Meinungs-Mache durch private Mächte veranschaulicht er unter anderem an der Pisa-Studie, die mitnichten durch ein öffentliches Institut erstellt wurde, sondern durch einen Council, der als ‚privatwirtschaftliches Unternehmen‘ arbeitet. Die Kooperation mit Regierungen dient entsprechend den privaten Interessen. Becker zeigt, wie die Meinungs-Mache bei Kriegen wie dem in Bosnien und im Irak eingesetzt wurde, und er macht deutlich, dass es ein ‚Irrglaube‘ sei, dass der Einzelne Propagandalügen leicht als solche entlarven kann. Er befasst sich mit wirksamen Propagandamethoden der Militärs und ihrer Helfer, etwa durch Frauen als Botschafts-Übermittlerinnen.
Hannes Hofbauer analysiert die Gefährlichkeit und Verlogenheit einseitiger Propaganda, die bis zur Dämonisierung Russlands geht. Wenn der andere der Dämon ist, ist die eigene Seite die des Guten. Die Heuchelei ist offenbar, wenn man sich nur den Unterschied vergegenwärtigt, wie die westliche Öffentlichkeit auf das tödliche Sprengstoffattentat in der U-Bahn von Sankt Petersburg ragierte, und wenn man diese weitgehende Ignoranz mit der öffentlichen Reaktion auf Attentate in westlichen Metropolen vergleicht. Der Westen hat sein Propagandabild zu Russland, demzufolge dem Feind Putin der vermeintlich gute Jelzin gegenübergestellt wird. Hier offenbaren sich doppelte Standards, die für die eigenen Zwecke instrumentalisiert werden.
Zum Ende des Buches weist Daniel Ganser nach, dass die Mär der friedlichen Demokratien des Westens den Fakten der letzten 70 Jahre nicht Stand hält. Er verweist auf Frankreichs Angriff auf das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior, sowie auf die illegalen Militäroperationen der Trump-Administration gegen Syrien, um dann die völkerrechtswidrigen Angriffe Groß Britanniens gegen Ägypten zu beleuchten, als Nasser den Suez-Kanal verstaatlichte.
Ganser im Schlusskapitel: „Die Verbrechen der Nato-Staaten müssen ehrlich analysiert werden, damit daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen werden können.“
Zu allererst ergibt sich aus alledem: Kriege enden nicht im Frieden. Also ist Friedenspolitik einzufordern. Das beginnt mit der Befreiung der Menschheit von der nuklearen Geisel. Und es muss umfassende Abrüstung erfolgen, damit die Menschheit statt der von Waffen ausgehenden Gewalt und Gefahr Mittel in der Hand hat, die globalen Zukunftsgefährdungen abzuwenden, was die Umwelt genauso betrifft, wie die Fragen der Bildung und des sozialen Zusammenlebens.
Das Buch ist auf dem Weg bei der Orientierung darüber, wo wir jetzt stehen, eine wichtige Hilfe.
Quellen:
[2] Wilfried Schreiber -Staatsmonopolistischer Kapitalismus, das Blättchen, 4|2015 http://das-blaettchen.de/2015/02/staatsmonopolistischer-kapitalismus-–-mehr-als-ein-nachruf-31882.html
+++
Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Textes.
KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
+++
Dir gefällt unser Programm? Informationen zu Unterstützungsmöglichkeiten hier: https://kenfm.de/support/kenfm-unterstuetzen
Kommentare (1)