Einführung zum Bericht von Professor Dariusz Leszczynski (Science & Wireless 2016)

Einführung zum Bericht von Professor Dariusz Leszczynski über seine Erkenntnisse bei der Science & Wireless 2016

Von Franz Adlkofer (Stiftung Pandora).

Professor Dariusz Leszczynski hat als international anerkannter Experte im Bereich der Mobilfunkforschung – unterstützt von der Stiftung Pandora und der Kompetenzinitiative e.V. – wie bereits 2015 auch 2016 an der Science & Wireless Konferenz in Melbourne, Australien, teilgenommen und darüber einen ausführlichen Bericht in englischer Sprache verfasst . Mit der Stiftung Pandora hat er vereinbart, dass sie seinen Bericht als Ganzes oder in Teilen in die deutsche Sprache übersetzen und mit oder ohne eigenen Kommentar der Öffentlichkeit in Deutschland zugängig machen darf. Von diesem Recht macht die Stiftung Pandora hiermit Gebrauch. Sie will mit diesem Bericht aufzeigen, wie die internationale Mobilfunkindustrie das sich bereits vor Jahrzehnten angemaßte Primat der Forschung bis heute durchaus mit Erfolg verteidigt und dabei die gesundheitlichen Risiken der Mobilfunkstrahlung völlig ignoriert.

Science & Wireless 2016 wurde mit einer „Keynote Presentation“ von Arendash eröffnet, in der über mögliche therapeutische Wirkungen der Hochfrequenzstrahlung bei der Alzheimer-Krankheit berichtet wurde. Die Beobachtung, dass die kognitive Leistung bestrahlter Mäuse höher ist als die unbestrahlter Kontrollen, ist zweifellos bedeutsam, zumal ein vergleichbarer Befund auch bei Ratten beschrieben wurde. Ob daraus Schlussfolgerungen für den Menschen gezogen werden können, ist allerdings äußerst zweifelhaft. Es kann gegenwärtig nicht einmal ausgeschlossen werden, dass die Hochfrequenzstrahlung genau das Gegenteil von Therapie bewirkt, nämlich zur Pathogenese der Alzheimer-Krankheit sogar beiträgt. Studien zur Klärung dieser Frage gibt es noch nicht. Ob positive Wirkungen, wie von Arendash postuliert, oder negative Wirkungen, wie durchaus möglich, es handelt sich in beiden Fällen um Wirkungen, die athermischer Natur sind. Und dass es solche Wirkungen gibt, was längst erwiesen ist, wird von der Konferenzleitung ebenso wie von der WHO und der ICNIRP wider alle Vernunft abgestritten. Warum dies geschieht, erklärt Dariusz Leszczynski.

Das wichtigste Thema der Konferenz betraf die bevorstehende Einführung der revolutionären G5-Technologie, deren Strahlung nicht mehr in das Hirn der Mobilfunknutzer eindringt, sondern gänzlich von der Haut absorbiert wird. Dariusz Leszczynski kritisiert in seinem Bericht, dass die Veranstalter allen Ernstes erwägen, diesen Vorteil der neuen Technologie dazu benutzen wollen, um die bereits jetzt viel zu hohen Grenzwerte weiter zu erhöhen. Sie setzen dabei voraus, dass der Haut ähnlich wie den Extremitäten eine höhere Strahlenbelastung als Kopf und Rumpf zugemutet werden kann. Dies mag richtig sein, berücksichtigt aber keines der grundsätzlichen Probleme. Zum einen fehlt jede Information darüber, wie hoch die Belastung der Haut, die der G5-Strahlung ausgesetzt ist, sein darf, ohne dass sie Schaden nimmt. Zum andern gibt es keine einzige Untersuchung, die eine Aussage über ihre biologischen Wirkungen insgesamt zulässt. Wie schon bei der Einführung der Mobilfunkgenerationen G1 bis G4 wird die medizinische Wissenschaft durch Schaffung von Fakten wiederum vor vollendete Tatsachen gestellt.

Dariusz Leszczynskis kritisiert in seinem Bericht zunächst die Veranstalter der Konferenz, die offensichtlich – wie bei der Science & Wireless 2016 geschehen – gesichertes Wissen ignorieren und ungesichertes Wissen benutzen, um von den Risiken der Mobilfunkstrahlung abzulenken. Betroffen von seiner Kritik sind aber auch die für den Strahlenschutz der Bevölkerung weltweit zuständigen Organisationen WHO und ICNIRP, die offensichtlich bereit sind, Ergebnisse dieser Veranstaltung zu übernehmen, um ihre bisherige Politik der Verharmlosung der Mobilfunkstrahlung im Interesse der Mobilfunkindustrie fortzusetzen. Doch lesen Sie selbst:

BERICHT von der SCIENCE & WIRELESS 2016

für die Pandora Stiftung und die Kompetenzinitiative

von Dariusz Leszczynski, PhD, DSc (Biochemie)

blogBRHP@gmail.com

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Science & Wireless 2016 fand am 22. November 2016 im Royal Melbourne Institute of Technology (RMIT) in Melbourne, Victoria, Australien, statt. Programm und Links zu allen Vorträgen hier.

Die Veranstaltung bestand aus zwei Teilen. Der erste Teil (Hochfrequenz und Alzheimer) befasste sich mit der möglichen Entwicklung einer neuartigen medizinischen Behandlung gegen Alzheimer, bei der das Hirn von Patienten einem hochfrequenten elektromagnetischen Feld (EMF) ausgesetzt wird. Im zweiten Teil (Hochfrequenz-Richtlinien) wurde über Fortschritte bei der Erstellung der ICNIRP-Richtlinien für die hochfrequente EMF-Exposition sowie über einen Zeitplan für die Entwicklung und Einführung der 5G-Technologie berichtet.

Meinen Kommentaren ist ein D vorangestellt und sie sind im gesamten Text kursiv hervorgehoben.

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ALZHEIMER

Den wichtigsten Vortrag bei der Science & Wireless 2016 zur Entwicklung einer denkbaren klinischen Behandlung gegen Alzheimer präsentierte Gary W. Arendash: TRANSCRANIAL ELECTROMAGNETIC TREATMENT (TEMT) AGAINST ALZHEIMER’S DISEASE: PRE-CLINICAL EFFICACY AND CLINICAL TRIAL IN PROGRESS 

[Transkranielle elektromagnetische Behandlung gegen Alzheimer: Vorklinische Wirksamkeit und klinisches Programm]

Hier das Protokoll der laufenden klinischen Versuchsreihe :

https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT02958930?id=02958930&rank=1

  • D Beim Betrachten der Folien von Gary W. Arendash sollten sich die Leser seines Interessenskonflikts bewusst sein.  Es handelt sich nicht um den Vortrag eines ausschließlich akademischen Forschers, sondern um den Vortrag  eines Geschäftsmannes, der sein Produkt präsentiert, es annonciert und dafür wirbt.   

In seinem Vortrag stellte Dr. Arendash einige Behauptungen auf, die es Wert sind näher darauf einzugehen:

SWEET SPOT

Wiederholt erwähnte Arendash in seinem Vortrag einen „sweet spot“ der hochfrequenten EMF-Exposition, welchen er und sein Team gefunden haben, und dass die Bestrahlung dieser höchst effektiven Stelle eine wirksame Therapie bei Alzheimer darstellt.

  • D Die Beobachtung einer möglichen Wirkung von hochfrequenten EMF auf Alzheimer ist in der Tat sehr interessant. Jedoch ist der von Arendash genannte „sweet spot“ nichts anderes als die Exposition gegenüber normalen hochfrequenten EMF, wie sie jedes Mobiltelefon emittiert. Dr. Arendash und sein Team testeten nicht – oder zumindest zeigten sie keine entsprechenden Daten dazu – unterschiedliche Frequenzen und/oder Modulationen, um diejenige zu finden, die besonders gegen Alzheimer wirkt. Das Team nutzte ganz einfach die Mobilfunkstrahlung und beobachtete die biologische Wirkung sowohl bei normalen als auch bei transgenen Mäusen.

EXPOSITION DER TIERE

Die in der Alzheimer-Studie zur Exposition der Tiere verwendete Anordnung war äußerst grob. Schon bei der ersten Publikation von Arendash et al. wurde die Expositionsanordnung innerhalb der bioelektro-magnetischen Gemeinde stark kritisiert. Besonders diejenigen, die glauben, dass es eine biologische Wirkung der Mobilfunkstrahlung gar nicht geben kann, waren sehr kritisch und abweisend gegenüber dem Ergebnis von Arendash.

  • D Die grobe Expositionsanordnung macht es in der Tat unmöglich zu bestimmen, wie viel Strahlung jedes Tier abbekam. Dies könnte bei einer Replikation der Studie problematisch sein, weil es schwierig sein wird, die genauen Expositionsbedingungen zu wiederholen, da die Größe der Strahlungsexposition der Tiere praktisch unbekannt ist. Während es leicht ist, Käfige um eine Antenne zu platzieren, so ist es sehr schwierig, die Strahlungsexposition jedes einzelnen Tieres zu messen.
  • D Die Expositionsanordnung war auf einer der Folien dargestellt. Beim Erscheinen der Publikation zur ersten Alzheimer-Studie von Arendash gab es geradezu einen Aufstand innerhalb der bioelektromagnetischen Forschungsgemeinde. Die Expositionsanordnung wurde als zu grob angesehen und kritisiert wurde, dass man keinerlei Kenntnis von der tatsächlichen Strahlung hätte, der die Mäuse ausgesetzt gewesen seien. Bei der Science & Wireless 2016 beanstandete niemand die Expositionsanordnung; weder die Vertreter von ICNIRP noch die Industrie. 
  • D Die grobe Expositionsanordnung macht die Ergebnisse nicht automatisch wertlos. Schon 2011, während der Diskussionen bei der IARC-Tagung zur Einstufung der karzinogenen Wirkung der Mobilfunkstrahlung, machte Niels Kuster darauf aufmerksam, dass ein Ergebnis als gültig betrachtet werden sollte, wenn es einen eindeutigen Unterschied zwischen exponierten Modellen und nicht-exponierten Kontrollen gibt, selbst wenn eine exakte Wiederholung sich als sehr schwierig erweisen dürfte.

ATHERMISCHE WIRKUNG

Im Hinblick auf die völlig fehlende wissenschaftliche Anerkennung der Existenz einer athermischen Wirkung seitens ICNIRP und Rodney Croft, dem Ko-Veranstalter von Science & Wireless 2016, bestand die kontroverseste  Aussage von Arendash darin, dass er die vorteilhafte Wirkung der hochfrequenten EMF-Exposition bei den Mäusen mit Alzheimer mit der athermischen Wirkung der Strahlung erklärte.

  • D In der Tat, wenn man auf die sehr geringe Intensität der geschätzten Bestrahlung (höchstens 1,05 W/kg) und den Abstand zwischen der Antenne und den Tieren in den Käfigen schaut, ist es ziemlich offensichtlich, dass die Exposition keine thermische Wirkung verursachen konnte. 
  • D Jedoch erkannte Rodney Croft, Mitglied der ICNIRP, dies nicht. Auf die Frage aus dem Publikum, was ICNIRP zu Arendashs Behauptung einer athermischen Wirkung meint, antwortete Croft nicht geradeheraus, sondern wandte sich an Arendash in Form einer Frage/Aussage: „Ist dies nur eine Hypothese?“ Ein wenig ‚überrascht‘ bestätigte Arendash die Richtigkeit von Crofts Aussage, dass zu diesem Zeitpunkt die athermische Wirkung nur eine Hypothese sei.
  • D Zum wiederholten Male zeigte sich ganz klar, dass ICNIRP nicht die Absicht hat, was immer auch geschieht, die Existenz einer athermischen Wirkung anzuerkennen. Selbst wenn biologische Reaktionen durch eine Exposition verursacht werden, die nicht in der Lage ist, die Temperatur des biologischen Modells zu erhöhen … aber es gibt einen Grund für diesen Starrsinn von ICNIRP …
  • D Wenn ICNIRP anerkennen würde,  dass es  athermische Wirkungen gibt, bedeutete dies, dass alle geltenden Grenzwerte und Sicherheitsrichtlinien einer gründlichen Neubewertung unterzogen werden müssten. Um es klar zu sagen, die Anerkennung der Existenz athermischer Wirkungen der Hochfrequenzstrahlung setzte die von WHO, ICNIRP und ICES/IEEE empfohlenen geltenden Grenzwerte außer Kraft.

WIRKUNGSMECHANISMUS

Es wurde auf zwei mögliche biologische Mechanismen hingewiesen, um die therapeutische Wirkung von hochfrequenten EMF bei Alzheimer zu erklären. Erstens eine direkte Strahlungswirkung, die eine Schwingung der H-Bindungen in den Beta-Faltblatt-Proteinen verursacht, wodurch die Bindungen in den Amyloid-Oligomeren geschwächt werden, so dass es zur ihrer Disaggregation kommt (Oligomere sind toxisch gegenüber Neuronen, jedoch nicht die Plaques …). Zweitens ein indirekter Mechanismus (Strahlung wirkt auf ein bisher unbekanntes Ziel innerhalb der Zellen, wodurch es zur Expression von Hitzeschockproteinen (HSPS) kommt), bei dem die therapeutische Wirkung über eine verstärkte Expression von HSP70 und HSP90 zustande kommt.

  • D Während Veränderungen in der Expression von Hitzeschockproteinen in mehreren Studien gezeigt wurden, einschließlich in meinem eigenen Labor bei  Untersuchungen zur endothelialen Expression von HSP27, ist eine Wirkung von hochfrequenten EMF auf die Schwingung der H-Bindungen umstritten und in einer der folgenden Folien widerspricht sich Arendash dabei selbst. 

GEFAHRLOSIGKEIT DER ALZHEIMER-THERAPIE

Es gibt zahlreiche Studien, die darauf hinweisen, dass die Exposition gegenüber hochfrequenten EMF eine negative Wirkung auf die menschliche Gesundheit haben könnten. Deshalb muss die Planung einer Langzeit-Behandlung von Alzheimerpatienten diesen Aspekt berücksichtigen. Jedoch hat Arendash trotz bestehender Evidenz die Möglichkeit einer ursächlichen Verbindung zwischen hochfrequenter EMF-Exposition und Krankheit überhaupt nicht berücksichtigt.

  • D Die im ersten Teil der Arendashs-Folie aufgestellten Behauptungen, dass es keine Wirkung der hochfrequenten EMF-Exposition auf Kognition, Immunfunktion, oxidativem Stress, Blut-Hirn-Schranke und DNA-Schädigung gibt, sind ganz und gar irreführend und falsch.
  • D Im zweiten Teil der Folie wiederholt Arendash die Behauptung, dass die hochfrequente EMF-Exposition keinen Krebs verursacht, da die Energie zu niedrig ist, um chemische Bindungen zu brechen. Diese Annahme scheint jedoch  Arendashs eigenem hypothetischen Mechanismus zu widersprechen, wie die Alzheimer-Therapie wirkt. Er behauptet, dass die hochfrequente EMF-Exposition eine Schwingung der H-Bindungen in Beta-Faltblatt-Proteinen verursacht und so die Bindungen in den Amyloid-Oligomeren schwächt, was zu einer Disaggregation führt. Die Frage ist, warum  ähnliche Mechanismen nicht ebenfalls in den reichlich vorkommenden und für die Funktion wesentlichen H-Bindungen der DNA-Doppelhelix wirksam sein sollen. Es scheint, dass Arendash in seinem Eifer, die Gefahrlosigkeit seiner Alzheimer-Therapie zu verteidigen, den von ihm selbst vorgeschlagenen Mechanismus einfach vergisst.
  • D Der Sicherheitsaspekt sollte anders betrachtet werden. Alzheimer ist eine Krankheit des Alters.  Selbst wenn die Langzeit-Exposition gegenüber hochfrequenten EMF das Krebsrisiko erhöht, haben die alten Alzheimerpatienten die Wahl zwischen ‚hier und jetzt‘, nämlich der Hemmung des Fortschreitens der Demenz oder eines möglicherweise erhöhten Risikos für eine sehr seltene Erkrankung – einem Gliom (10-20 Fälle/100.000 Personen, welche sich auf 20-40 Fälle/100.000 Personen erhöhen könnten, wenn das schlimmste Szenario aus epidemiologischen Studien jemals eintritt). 

LOB DER SCHLECHTEN EPIDEMIOLOGIE

  • D Auf der folgenden Folie ging Arendash sogar noch weiter in seinem Eifer, die Gefahrlosigkeit seiner Alzheimer-Therapie zu beweisen. Er lobte epidemiologische Studien von zweifelhafter Qualität. Studien, welche, außer z.B. von ICNIRP und SCENIHR, stark kritisiert werden wegen ihrer schlechten Qualität, die jegliche Schlussfolgerungen der Autoren unwirksam macht. Besonders sein Lob für die Dänische Kohortenstudie und die Eine-Million-Frauen-Studie  sind wissenschaftlich gesehen sehr ‚beunruhigend‘. Es zeigt sich, dass Arendashs Interessenskonflikt  als Geschäftsmann hier ‚seine Wirkung‘ entfaltet haben könnte.

SUMMA SUMMARUM

  • D Es ist eine interessante Option, dass hochfrequente EMF-Exposition therapeutisch gegen Alzheimer wirken könnte. Der laufende klinische Versuch wird die dringend benötigte Evidenz liefern, die Arendashs Behauptungen entweder bestätigen oder widerlegen:  (https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT02958930?id=02958930&rank=1
  • D Ein transgenes Mausmodell spiegelt nicht genau das wider, was bei Alzheimer im Menschen passiert. Dies bedeutet, dass die positiven Wirkungen, die Arendash et al. beobachteten, wohl nicht direkt auf die menschliche Situation übertragen werden dürfen. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei  Alzheimer der Expression des Tau-Proteins eine größere Bedeutung als dem Rückgang von Beta-Amyloid-Oligomeren auf die menschliche Kognition zukommen könnte (siehe auch die Kommentare zum Finnie-Vortrag). 

Ein zweiter Vortrag zu Alzheimer wurde von John Finnie gehalten: DOES LONG-TERM EXPOSURE TO MOBILE PHONE-TYPE RADIOFREQUENCY FIELDS REDUCE BRAIN AMYLOID DEPOSITION?

[Verringert die Langzeit-Exposition gegenüber hochfrequenten Feldern die Ablagerung von Amyloid im Hirn]

  • D Der Vortrag war enttäuschend. Finnie beschrieb, was über Alzheimer bekannt ist, und zeigte nur sehr kurz, was seine Studenten tun bzw. tun werden. 

  • D Bei der Science & Wireless 2015 zeigte John Finnie einen ähnlich kurzen Überblick der in seinem Labor stattfindenden Wiederholung der Studie von Arendash et al. In diesem Jahr, bei Science & Wireless 2016, erwartete ich einige experimentelle Ergebnisse, aber … kein Glück … John Finnie präsentierte bis jetzt keine experimentellen Daten außer einigen histologischen Abbildungen der Hirne von Alzheimer-Mäusen.
  • D Was an Finnies Vortrag interessierte, war die Frage, ob Beta-Amyloid-Oligomere wichtig sind für Alzheimer oder ob eine anderes Protein, genannt Tau, die wichtigere Rolle bei der Entwicklung der Krankheit spielt. Dadurch stellte Finnie in Frage, ob der Rückgang von Beta-Amyloid-Plaques ein Anzeichen für eine Besserung bei Alzheimer ist, wie Arendash et al. beobachteten: … die Amyloid-Ansammlung ist ein schwacher Indikator des klinischen Schweregrads der Erkrankung …. 

  • D Schließlich, im Gegensatz zu den abtuenden Kommentaren von Arendash, ließ Finnie die Möglichkeit offen, ob eine Exposition gegenüber der Mobilfunkstrahlung gesund-heitliche Probleme (Hirntumore, aber keine Überwindung der Blut-Hirn-Schranke) beim Menschen verursachen könnte. 

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ICNIRP

Rodney Croft, Leiter der ICNIRP-Projektgruppe Hochfrequenz, präsentierte ein UPDATE ON ICNIRP’S HIGH FREQUENCY GUIDELINES 

[Update der ICNIRP-Richtlinien für Hochfrequenz]

ICNIRP bereitet Richtlinien für die Exposition gegenüber hochfrequenten Feldern zwischen 100 kHz und 300 GHz vor (die bisherigen Richtlinien sind von 1998).

ICNIRP wartet auf die Fertigstellung der Umweltgesundheitsrichtlinien (EHC) der WHO, bevor sie neue Richtlinien entwickeln kann/wird.

  • D Die Ausarbeitung der EHC der WHO verzögert sich. Ein Entwurf der EHC wurde für die öffentliche Diskussion vorgelegt und die Kommentare, die die WHO erhielt, werden gerade in den revidierten EHC-Entwurf übernommen.

ICNIRP berücksichtigt als Evidenz nur wissenschaftlich untermauerte Daten, die unabhängig wieder-holt wurden, die ausreichende wissenschaftliche Qualität haben und die wissenschaftlich zu erklären sind.

  • D Diese Definition bietet mehrere einfache Möglichkeiten, um wissenschaftliche Evidenz aus-zuschließen. Alles, was zu schwierig zu erklären oder zu wiederholen ist, kann ICNIRP will-kürlich ausschließen.

ICNIRP beabsichtigt, einen ‚Gesundheit-Wirkung-Grenzwert‘ zu finden und diesen zu verwenden, um die Gesundheitsdefinition der WHO, die sehr weit ausgelegt ist (physisch, mental und soziales Wohlbefinden),  erneut zu bewerten.

  • D Nach der Gesundheitsdefinition der WHO könnte jeder, der über eine mögliche gesund-heitliche Wirkung der drahtlosen Kommunikation besorgt ist, als krank angesehen werden. Mit dieser WHO-Definition leiden selbst-diagnostizierte elektrosensible Personen an einer gesundheitlichen Störung. Der ‚Gesundheit-Wirkung-Grenzwert‘ wird wahrscheinlich darauf abzielen, die Anerkennung der Elektrosensibilität als Krankheit, basierend auf der Gesund-heitsdefinition der WHO, neu zu bewerten.

ICNIRP plant, Wissenslücken wie folgt zu überbrücken: … Bei ungenügenden Grenzwertdaten, verwende man die Kenntnis der Mechanismen, um einen ‚operativen Grenzwert‘ festzusetzen … z.B. die Kenntnis der Temperatur anstatt eines klaren Grenzwertes der Hochfrequenz …

  • D ICNIRP fährt fort, die gesamte Evidenz, die auf die Existenz athermischer Wirkungen hinweist, zu ignorieren; Wirkungen also, die bei Expositionen vorkommen, die innerhalb der gültigen Grenzwerte liegen. Die Anerkennung, dass athermische Wirkungen existieren, würde alle gegenwärtigen Grenzwerte ungültig machen und eine gründliche Neubewertung verlangen. 

ICNIRP trennt unseren Körper in wichtige und weniger wichtige Teile. Die weniger wichtigen,  Extremitäten genannt, können einer höheren Strahlung ausgesetzt werden.

  • D Den Körper in mehr oder weniger wichtige Teile aufzuteilen ist nicht neu. Für viele Nutzer von Mobiltelefonen scheint es verwirrend, dass man das Telefon ans Ohr halten muss, aber zugleich die Hersteller mahnen, das Telefone in einem bestimmten Abstand vom Körper gehalten werden sollen, um den Grenzwerten zu entsprechen. Hier ist nichts verwirrend. Ohrläppchen wurden als Extremität eingeordnet, ein weniger wichtiger Körperteil, der höherer Strahlung ausgesetzt werden kann. Somit ist es in Ordnung, das Telefon ans Ohr zu halten und damit die Grenzwerte einzuhalten.
  • D Den Körper in wichtige und weniger wichtige Teile zu trennen traf zu bei den Technologien 1G, 2G, 3G und 4G. Dies gilt nicht mehr für die 5G-Technologie, bei der die gesamte Strahlungsenergie allein von der Haut absorbiert wird.
  • D Im Entwurf der ICNIRP ist Haut (Dermis und Epidermis) in der Gruppe der Gliedmaßen aufgelistet, also den weniger wichtigen Körper-teilen, die stärkerer Strahlung aus-gesetzt werden können. Die Sicherheitsrichtlinien werden erstellt für den Bereich bis 300 GHz, was die  5G-Technologie einschließt, die mit 6 GHz bis 100 GHz arbeitet. Es ist bekannt, dass beim 5G-Spektrum die gesamte  Strahlungsenergie allein von der Haut aufgenommen wird. Die Haut in derselben Weise wie die Gliedmaßen einzuordnen bedeutet, dass ICNIRP erwägt,  bei 5G-Geräten eine stärkere Exposition zu erlauben, weil diese  Geräte nur auf die Haut ausstrahlen. 

  • D Man sollte ICNIRP daran erinnern, dass die Haut das größte Organ des menschlichen Körpers ist und bei der Steuerung einer Reihe von Prozessen beteiligt ist, sei es lokal oder systemisch, wie z. B. der Immunregulation. 
  • D Gegenwärtig liegen keinerlei Forschungsergebnisse darüber vor, wie die Haut auf eine 5G-Exposition reagiert.
  • D Deshalb sollte bei der 5G-Technologie die Haut (Dermis und Epidermis) zu den wichtigen  Körperteilen gezählt und so gering wie möglich bestrahlt werden.

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5G-TECHNOLOGIE

Mike Wood von Telstra Australien [führender Anbieter von Mobiltelefonen] sprach über EME STANDARDS FOR 5G TECHNOLOGIES: HUMAN EXPOSURE COMPLIANCE ASSESSMENT PROCEDURES FOR MOBILE DEVICE AND NETWORK EQUIPMENT OPERATING FROM 6-100 GHz

[EME-Richtlinien für 5G-Technologien: Für die menschliche Exposition geeignete Bewertungsverfahren für mobile Geräte und Netzwerkausrüstung im Bereich 6 – 100 GHz]

  • D Dies war die aufschlussreichste Folie in Woods Vortrag. Sie verdeutlicht, dass die Industrie die 5G-Technologie rasch entwickeln wird.
  • D Die 5G-Technologie wird das Spektrum zwischen 6 GHz und 100 GHz abdecken. Die geltenden Bewertungsverfahren decken jedoch dieses Spektrum nicht ab. Neue Bewertungsverfahren müssen innerhalb der nächsten zwei Jahre in Australien entwickelt werden, also bis 2019, um auf die Einführung der 5G-Technologie im Jahr 2020 vorbereitet zu sein. Der Zeitplan für den Einsatz der 5G-Technologie mag in verschiedenen Ländern unterschiedlich sein.

  • D Die Forderung, dafür zu sorgen, dass die menschliche Gesundheit unbeeinflusst bleibt, wurde von Wood betont, aber …
  • D Die Richtlinien werden von verschiedenen inter-nationalen Kommissionen entwickelt werden, aber zurzeit wird keine  biologische Forschung durchgeführt, um gesundheitliche Aus-wirkungen der 5G-Technologie im Spektrum von 6 GHz bis 100 GHz zu bewerten. Es gibt keine Untersuchungen über mögliche Auswirkungen auf die Haut, die die gesamte von 5G-Geräten ausgehende Strahlung aufnimmt.

  • D Einige wichtige und beunruhigende Frage auf die wir keine Antwort wissen:
    • Welche biologischen Daten werden die internationalen Kommissionen verwenden, um zu bestimmen, ob die 5G-Technologie sicher ist?
    • Welche biologischen Daten können Wissenschaftler in den nächsten 2 – 3 Jahren bereitstellen?
  • D So wiederholt sich die Situation. Eine neue Technologie wird schnell entwickelt. Biologische und Gesundheitsforschung hinken weit hinterher. Internationale Kommissionen setzen unter Verwendung von unvollständigen und überholten Informationen Sicherheits-richtlinien fest. 
  • D Die Kenntnisse, die man für 2G, 3G und 4G hat, werden wahrscheinlich auch bei den Sicherheitserwägungen für 5G angewendet werden, obwohl bekannt ist, dass diese für 5G ungeeignet sind, zumindest unmittelbar.

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Abschließender Kommentar zur Science & Wireless 2016

D Ich habe an den Science & Wireless Veranstaltungen 2010, 2012, 2014 und 2015 teilgenommen, 2012 war ich einer der geladenen Redner.

Nach meinem ersten Besuch der Science & Wireless im Jahr 2010 schrieb ich einen sehr begeisterten Beitrag in meinem BRHP Blog über diese Art von Veranstaltung, die Wissenschaftler, Regulierer, Industrie und Anwender der Technologie zusammenbringt. 

Bedauerlicherweise verschwand mein Enthusiasmus für die Science & Wireless im Lauf der Zeit. In den letzten Jahren kann man die Science & Wireless Veranstaltungen nicht mehr als ‚gemeinschaftliche Interaktion‘ bezeichnen. Sie sind zu Veranstaltungen geworden, bei über Wissenschaft – so weit sie von Industrie und ICNIRP akzeptiert wird  – zum Nutzen von Industrie und ICNIRP berichtet wird.  ‚Vertreter der Allgemeinheit‘, die die Stichhaltigkeit der wissenschaftlichen Bewertung seitens Industrie und ICNIRP anzweifeln, wurden vollkommen ausgeschlossen.

Mitzunehmen von der Science und Wireless 2016 ist die Botschaft:

  • Hochfrequente EMF-Exposition wirken auf die Beta-Amyloid-Proteine im Hirn transgener Mäuse.
  • Die Wirkung auf das Beta-Amyloid-Protein wird durch einen athermischen Mechanismus verursacht.
  • Es ist noch unklar, ob die beobachtete vorteilhafte Wirkung der hochfrequenten EMF auf Mäuse auch auf Menschen mit Alzheimer übertragbar ist.
  • Die ICNIRP ignoriert mit erstaunlicher Sturheit alle Beweise  hinsichtlich der athermischen Wirkungen von hochfrequenten EMF (erkennt ICNIRP die Existenz athermischer Wirkungen an, würde dies die gültigen Grenzwerte außer Kraft setzen).
  • Die ICNIRP zählt ohne jeden wissenschaftlichen Beweis die Haut willkürlich zu den  weniger wichtigen Körperteilen, die stärker hochfrequenten EMF ausgesetzt werden dürfen.
  • Es sollte auf keinen Fall hingenommen werden, dass die ICNIRP die Haut den Organen der Gruppe ‚Gliedmaßen‘ zuordnet, um  es der 5G-Technologie zu  ermöglichen, Geräte mit stärkerer Strahlenexposition –  ungeachtet des Abstands zum menschlichen Körper – zu vermarkten, weil die gesamte Energie eines 5G-Gerätes ganz allein von der Haut absorbiert wird.
  • Die Einführung der 5G-Technologie kommt trotz des völligen Fehlens von Forschung zu den Auswirkungen von 5G auf die Biologie der Haut rasch voran.   
  • Das Vorsorgeprinzip wird von ICNIRP und Industrie vollkommen ignoriert

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© Pandora  –  Stiftung für unabhängige Forschung & Prof. Dr. Dariusz Leszczynski, 2017


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