Auch das noch: Putin hat die US Wahlen gehackt!

von Dirk Pohlmann.

Der Hintergrund:

Wie alle zuverlässigen Fernsehzuschauer mit gefestigter transatlantischer Weltanschauung wissen, ist die hochgerüstete Supermacht Russland (Rüstungsetat 2017: 44 Milliarden) in aller Welt auf dem Vormarsch und die nahezu wehrlose NATO (Rüstungsetat 900 Milliarden) auf dem Rückzug. Zum Beispiel umstellt Russland die USA. (Die besitzt mindestens 701 Militärstützpunkte in 42 Ländern, davon 114 in zusätzlich 7 US Übersee-Territorien, zählt man auch die jederzeit nutzbaren Basen befreundeter Nationen hinzu sind es ca. 1000 Militärstützpunkte). Für diese mörderische Umzingelung nutzen die Russen die geballte Macht ihrer 27 Militärstützpunkte. Na gut, es sind eigentlich nur 3, zwei in Syrien, einer in Vietnam. Die restlichen 24 sind alle in ehemaligen Sowjetrepubliken. Nochmal na gut, in Vietnam haben die USA auch einen Stützpunkt, und der ist auch noch einer der größten der Welt. Aber die Russen sind trotzdem total gemein und supergefährlich!

Es ist also vollkommen klar, dass das ehemalige Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ seiner Chronistenpflicht nachkommt und die Bundesbürger darüber aufklärt, dass die NATO Staaten bei den Militärausgaben übel „hinterherhinken“. Und natürlich müssen sich die USA gegen diese russische Flutwelle wehren, indem sie ihre Special Forces in 138 Ländern weltweit einsetzen. Das sind ja auch nur 70% der Erde. Die Russen wollen schließlich 100%!

Aber militärische Hardware ist nur eine Seite der Medaille. Mindestens so wesentlich für den Endsieg der Guten über den Russen ist die „Psychologische Kriegführung“.

Seit einiger Zeit werden wir deshalb zusätzlich und täglich mit Meldungen bombardiert, dass Putin die US Wahlen manipuliert hat. Irgendwie. Die Grundlage dieser „Nachrichten“ waren und sind unbewiesene Vermutungen aus der Schmutzakte eines ehemaligen MI6 Agenten, die er im Auftrag eines republikanischen Trump Konkurrenten hergestellt hat, falsche Behauptungen und Berichte über Gerüchte.

Das haben sie in den Nachrichten aber ganz anders gehört? Bitte beachten Sie: mit Fake News und Qualitätsberichterstattung ist es wie mit dem Terrorismus und den moderaten Freedom Fighters: Wenn zwei das gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Oftmals fällt es deshalb dem überforderten Staatsbürger schwer, zu unterscheiden, wer die Guten und wer die Bösen sind. Ein Ratschlag: vertrauen Sie bei der Interpretation darauf, dass der Westen immer gut ist, und achten sie auf die Interpretationsverlautbarungen ihrer Regierung und der angeschlossenen Qualitätsmedien.

Wobei man wissen sollte, dass nach einer Harvard Studie die weltweit negativste Berichterstattung zur Präsidentschaft Donald Trumps welches Medium anbietet? Richtig, natürlich die Tagesschau, die Mutter aller ausgewogenen und objektiven Nachrichten über NATO, USA und Russland. Seriöse 98% der Tagesschau-Nachrichten über Trump sind negativ. Soviel Qualität macht uns keiner nach! Also: Aufgepasst und Ohren gespitzt!

Ebenfalls hilfreich ist die Faustformel: Putin ist an allem schuld.

In diesem Sinn wird jetzt noch mal richtig aufgedreht. Zitat Tagesschau: „Russland könnte sich stärker in den US-Wahlkampf eingemischt haben als bislang vermutet. Das soll aus einem geheimen NSA-Dokument hervorgehen. Eine Whistleblowerin soll das Papier an eine Website weitergeleitet haben. Die 25-Jährige wurde festgenommen.“

Schlimm an dieser Meldung ist leider, dass sie auf einem Artikel der auch von mir bisher hochgeschätzten Publikation „The Intercept“ von Glen Greenwald, Laura Poitras und Jeremy Scahill basiert. Der zugrunde liegende NSA Bericht war “The Intercept” offenbar von der 25 jährigen US-Soldatin Reality Leigh Winner zugespielt worden. Sie ist bereits festgenommen worden.

Offenbar, weil „The Intercept“ der NSA einen Originalausdruck des Berichtes vorgelegt hat, um die Angaben des Berichtes zu verifizieren. Und offenbar weiß „The Intercept“ nicht, dass man bei Ausdrucken feststellen kann, auf welchem Drucker sie hergestellt wurden. Drucker markieren nämlich die Seiten mit winzigen gelben Punkten, die Informationen wie Typ und Seriennummer beinhalten. Was die Stasi mühsam durch Schreibmaschinen-Schriftproben händisch produzieren musste, liefert die Elektronik-Industrie der NSA heute frei Haus. Der „freie Westen“ kann eben alles viel besser als es die Stasi je konnte. Darüber wird Reality Leigh Winner in den nächsten Jahrzehnten in einem Militärgefängnis nachdenken können.

Vielleicht muss man sich statt der glorreichen Vergangenheit der Veröffentlichung von ca 5% der Snowden Papiere eher damit beschäftigen, welche Rolle „The Intercept“ jetzt und in Zukunft spielen wird. Die Redaktionslinie ist in den letzten Monaten in Richtung Clinton-Unterstützung korrigiert worden, inklusive einiger Artikel (es gab auch andere), die für eine US-Intervention in Syrien Stimmung machten. Glen Greenwald, Laura Poitras und Jeremy Scahill sind exzellente Investigativjournalisten, die ich von dieser Kritik vollständig ausnehme, aber die Vorgeschichte der Veröffentlichung dieses Artikel ist zumindest merkwürdig. So merkwürdig wie einige Aktivitäten des Besitzers der Internet-Publikation. The Intercept wurde von Pierre Omidyar gegründet, der mit ebay und vor allem Paypal Milliardär wurde. Omidyar hat zum Beispiel in Indien mit der rechtslastigen RSS Partei zusammengearbeitet, in der Ukraine zusammen mit USAID neonazistische Gruppen unterstützt und gehört in den USA zu den engen Unterstützern der Demokraten mit guten Beziehungen zum Weißen Haus.

Der Bericht hat lange bei The Intercept gelegen, und wurde der NSA eine Woche zur Ansicht und Kommentierung überlassen. Viel Zeit, um die Quelle herauszufinden und festzusetzen. Nicht weniger als vier Journalisten sind Autoren dieses Artikels, der bereits mit einer falschen Behauptung beginnt, nämlich der Behauptung einer Cyberattacke, die sich durch den NSA Bericht nicht belegen lässt. Er handelt von Cyberspionage. Zur Erläuterung: Der Stuxnet-Fall war eine Cyberattacke.

In dem NSA Bericht wird erläutert, wie sich russische IT-Spezialisten des Militärgeheimdienstes GRU im Regierungsauftrag Zugang zur Software von amerikanischen Wahlmaschinen verschafft haben sollen. Es wird nicht behauptet, dass es gelungen sei und auch nicht, dass Wahlergebnisse erfolgreich manipuliert wurden.  Zitiert wird umfangreich Bruce Schneier, ohne klarzustellen, dass er ein Clinton Vertrauter ist und direkt nach dem Hillary-Desaster als einer der ersten die „Russland ist schuld“-Version in Umlauf brachte.

Die Kombination aus Geheimdienstbericht und Veröffentlichung durch eine investigative Quelle erzeugt falsche Glaubwürdigkeit, nämlich den Anschein, dass die Insinuationen des Intercept-Artikels zutreffend seien, obwohl sie tatsächlich nur ein weiteres Mosaikstück in der Unwetterwolke aus heißer Luft darstellen, dass „Die Russen“ irgendwie  hinter Trump stecken. Aber so geht es ja seit Monaten. Dieser neue Fall ähnelt der Berichterstattung zu den Scharfschützen auf dem Maidan (ungeklärt, aber war es nicht irgendwie Putin?) und dem Abschuss von MH17 (ungeklärt, aber war es nicht irgendwie Putin?). Mittlerweile redet die ganze Welt darüber, dass Trump irgendwie wegen Putin an die Macht gekommen ist.

Merkwürdigerweise gab es vor der US-Wahl eine Reihe von Veröffentlichungen, die davor warnten, dass die Software von US Wahlmaschinen gehackt werden kann – und das wurde auch praktisch vorgeführt. Es gab ja die Erfahrung der dubiosen Wahlentscheidung zugunsten von George Bush im Wahlkampf gegen Al Gore. Und es gab Vermutungen, dass auch bei den US Wahlen von 2016 manipuliert wurde, weil die Umfragen nach der Wahl in bisher unbekannten Größenordnungen vom Wahlergebnis abwichen.

Es gibt also gute Gründe, Wahlen auf keinen Fall völlig elektronisch durchzuführen, wenn man Manipulationen vermeiden will – was aber offenbar von den US Behörden nicht als unverzichtbar eingestuft wird. Die Minimumvariante für eine sichere Wahl mit Wahlautomaten wäre, den Wahlzettel auf Papier ausdrucken zu lassen, so dass der Wähler ihn kontrollieren und in eine herkömmliche Wahlurne werfen kann. So könnten im Nachhinein und durch Stichproben eventuelle elektronische Manipulationen nachgewiesen werden; denn die sind immer möglich. Das Problem bei Wahlautomaten ist, dass alle elektronisch erfassten Daten per Definition immer bearbeitbar, d.h. manipulierbar sein müssen, z.B. durch Addition, sonst bräuchte man die Daten ja nicht elektronisch zu erfassen.

Bei den Wahlen in den USA wurde bisher von offizieller Seite jeder Verdacht auf Wahlmanipulation zurückgewiesen. Die Frage ist, ob diese Einschätzung jetzt, wo Putin an Wahlfälschungen schuld sein soll, offiziell geändert werden wird. Den USA in ihrem derzeitigen McCarthy Modus ist alles zuzutrauen.

Es gibt viele, die daran Interesse haben, vor allem aus dem Deep State. Trump war wegen seiner außenpolitischen Ankündigungen „Worst Case“ für den Deep State. Die grauen Eminenzen des Council on Foreign Relations nutzen alle Möglichkeiten, Trump ihre interventionistischen Ideen aufzuzwingen, und dass hat mit den Russland-Anschuldigungen auch gut geklappt.

Jede Diskussion, ob die Wahl manipuliert wurde, kann gegen Trump genutzt werden. Und egal was er tut, es wird ihm schaden.

Falls er die Behörden anweist, bei der bisherigen offiziellen Version „Keine Manipulationen“ zu bleiben, kann das genüsslich im bekannten Modus ausgeschlachtet werden: „Trump verhindert Untersuchungen, ob Putin die Wahl zu seinen Gunsten beeinflusst hat.“ Stimmt er aber einer Untersuchung zu, hat er seine Glaubwürdigkeit selbst beschädigt: „Unter der Last der Beweise – Trump muss Untersuchung von Wahlmanipulationen zustimmen“. Das kann bis zur Forderung nach Neuwahlen gehen – auch ohne Amtsenthebungsverfahren. Und sollte es tatsächlich Indizien für Manipulationen geben, wäre eine Bewertung als „Einzelfall ohne Auswirkung auf das Endergebnis“ unmöglich. Mit der Russland-Anschuldigung hat der Deep State über Trump ein Damokles-Schwert installiert.

Kluge Köpfe in den US Geheimdiensten könnten bei den Wahlen vorgearbeitet haben. Wenn die Bevölkerung falsch abstimmt, gäbe es durch die manipulierbaren Automaten immer eine Möglichkeit, die Wahl zu korrigieren. Wer diese Möglichkeit auch in Zukunft nutzen will, darf also auf keine Fall sichere Verfahren für Wahlen einführen, z.B. Wahlmaschinen mit gleichzeitigem Papierstimmzettel.

Zusammengefasst:

Angeblich haben die Russen versucht, die US Wahl zu manipulieren. Sie haben dazu erfolgreich Wahlmaschinen gehackt – aber diese Fähigkeit dann gar nicht genutzt.

Sie haben also nur sich selbst immensen Schaden zugefügt, ohne dabei irgendeinen Nutzen verbuchen zu können. Das ist, als ob man eine Wolfsfalle versteckt und dann selbst reintritt.

Die US Dienste haben durch diese Veröffentlichung für ihre bisher unbewiesenen Anschuldigungen gegen Russland mächtig Auftrieb bekommen. Durch eine weitere unbewiesene Anschuldigung.

Außerdem: bitte auch daran denken, dass wir durch Wikileaks seit neuestem wissen, dass die US Dienste (oder: alle Geheimdienste, die die Technik beherrschen) vortäuschen können, jeder andere Dienst zu sein, sie können zum Beispiel vortäuschen, russische Hacker zu sein.

Gleichzeitig führen die US Dienste The Intercept als Idiotenclub vor, der seine Quellen ans Messer liefert.

Und sie können im gleichen Aufwasch andere Whistleblower hochwirksam abschrecken. Denn: wer als Whistleblower auftritt, wird innerhalb von Stunden in aller Öffentlichkeit fertig gemacht und darf sich auf Jahrzehnte im Gefängnis vorbereiten. Quod erat demonstrandum.

Die US Dienste haben also nur Nutzen, aber keinen Schaden – bei den Russen ist es genau umgekehrt.

Wenn dies eine russische Operation war, dann wäre der russische Militärgeheimdienst Weltmeister in der Disziplin “Idiotische Selbstverstümmelung”.

Wenn es eine amerikanische Operation war, dann war es ein voller Erfolg.

Die Frage ist, zu welchem Zweck diese Propagandaoffensive stattfindet, ob der Informationskrieg letztlich zu einem Krieg in Europa führen soll. Wir können die Antwort darauf bei der Bundestagswahl einfordern – aber sollten uns gleichzeitig keinesfalls darauf verlassen, eine wahrheitsgemäße Antwort zu erhalten. Wenn es um Leben und  Überleben geht, vertraut man besser nicht dem Staat, sondern nimmt die Angelegenheit selbst in die Hand.

Wir müssen damit rechnen, dass eine neue Friedensbewegung mit allen Mittel des „Teile und Herrsche“ minimiert werden soll. Aber das wird nur gelingen, falls wir es wieder zulassen, dass nützliche Idioten zu Spaltpilzen werden.

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


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